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Pressefreiheit muss international sein

Von Engelbert Washietl

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Nationales Recht kann den Fluss der Informationen hemmen. | Sobald das geschieht, bilden sich jedoch Nebenflüsse im Ausland.


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Die überfallsartige Einvernahme österreichischer Journalisten durch die Staatsanwaltschaft Wien war erstens instinktlos und wirkte zweitens wie eine Liebedienerei österreichischer Behörden gegenüber deutschen Begehrlichkeiten. Es war ja die bayerische Anklagebehörde, die um "Rechtshilfe" ersucht hatte, weil Details aus Gerichtsakten in die Öffentlichkeit gelangt waren.

Hypo Alpe Adria gehört zu den großen politisch-wirtschaftlichen Skandalen Österreichs, bei denen es erst eines massiven Drucks der Medien bedurft hatte, bis sich die Justiz mit großer Verzögerung der Materie annahm. Immerhin sind Personen bereits in Untersuchungshaft. Solange aber die Bank mit ihren aufsehenerregenden Balkangeschäften bloß ein Lokalereignis im Haider-Land Kärnten war, blieb vieles, was der Staatsanwaltschaft schon damals auffallen musste, unter dem Teppich. Dass jetzt etwas weitergeht, hat auch damit zu tun, dass die Hypo für die Bayerische Landesbank zu einem Mühlstein geworden ist. Der Fall Hypo ist ein internationaler geworden.

Das ist der springende Punkt. Es wäre geradezu absurd, sollte nun eine Bankaffäre mit internationalen Dimensionen in den Griff einer überstaatlich funktionierenden Medienzensur geraten. Die Deutschen haben in ihrem Strafgesetzbuch den Paragrafen 353 d, der für Aufdeckerjournalisten bedrohlich klingt: "Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist." Das ist saftig.

In Österreich gibt es dieses Delikt nicht. Wenn die österreichische Staatsanwaltschaft jedoch im Rechtshilfeverfahren für bayerische Antragsteller einige österreichische Journalisten als Beschuldigte zur Einvernahme zitiert, wird damit stillschweigend das im Sinne der Pressefreiheit schlechtere deutsche Niveau auf Österreich übertragen. Die Aufregung ist beträchtlich, die Staatsanwaltschaft hat Fehler einbekannt. Was hier versucht wurde, ist der verfahrenstechnische Aufbau einer übernationalen Gängelung der Medien, wenn diese sich mit übernationalen Affären beschäftigen.

Wenn sich die Journalisten gegen solche Knebelungsversuche nicht sofort zur Wehr setzen, gewinnen als lachende Dritte diejenigen, die jede Art von Aufdeckung fürchten, weil alles, was nur entfernt mit Korruption zu tun hat, Öffentlichkeit nicht verträgt.

Schon zu Metternichs Zeiten war es Kaisern und Fürsten unerträglich, wenn Informationen, die im eigenen Herrschaftsbereich unterdrückt wurden, in benachbarten Revieren durchsickerten und in gedruckter Form verbreitet wurden. Es wird schon damals teils erfolgreiche, teils fehlgeschlagene Versuche gegeben haben, solche "Gemeinheiten" durch Absprachen zu verhindern. In der modernen Rechtsordnung müssen die führenden politischen und juristischen Instanzen daran gewöhnt werden, dass nicht die Zensur, sondern die Pressefreiheit das internationale Gut ist, das Schutz verdient. Auch das Redaktionsgeheimnis gehört dazu.

Alles andere wäre eine gegen die Gesellschaft gerichtete Fehlentwicklung.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse und Salzburger Nachrichten.