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Prickelnde Champagne -eine genießerische Reise

Von Ursula Burkert

Wissen

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Als Ausgangspunkt für eine Reise, die sich den Genüssen verschrieben hat, bietet sich die Kleinstadt Ay an und das dort angesiedelte Institut de Champagne. Denn um genießen zu können, ist eine gewisse Kenntnis um die Materie kein Schaden. Deshalb hat man sich im Institut de Champagne zur Aufgabe gestellt, professionelle Weinkenner, aber auch interessierte Laien ins Universum des Champagner einzuführen.

In Kursen, die von einem halben Tag bis zu einer Woche dauern können, erfährt man viel Wesentliches über die Herstellung und Verkostung des prickelnden Getränkes, das seit dem 17. Jahrhundert, seit der Mönch Dom Pérignon die entscheidende Entdeckung gemacht hat, nicht mehr wegzudenken ist. Nach der Überlieferung nämlich hatte der Kellermeister der Benediktinerabtei von Hautvilliers die geniale Idee, verschiedene Crus der Champagne zu mischen und Korken aus spanischen Korkeichen zu verwenden. Zwei Erfindungen, die Jahrhunderte überdauern sollten.

Auf die richtige Mischung kommt es an

Nur drei Rebsorten Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay sind in der Champagne als Ausgangsmaterial für die Champagner-Cuvées zugelassen. Auf das richtige Mischungsverhältnis dieser Sorten kommt es an, erklärt Pierrre Cheval, der neben seiner Berufung als Weinbauer & Kellermeister auch im Institut International de Champagne tätig ist.

Diese Ausbildungsstätte für Weinprofis und Laien ist in der Villa Bissinger, einem stilvollen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, untergebracht. In kleinen Schritten werden die Wissensdurstigen mit Begriffen wie Terroire, Crus, erste und zweite Gärung, sowie mit dem Prinzip des "handgerüttelten" Champagners vertraut gemacht.

Im Champagnerinstitut erfährt man auch, dass es mehr als 100 Maisons de Champagne gibt. Jedes hat seinen eigenen Kellermeister. Außerdem produzieren mehr als 5.000 Winzer, wenn sie ihre Trauben nicht zu einem sehr guten Preis (etwa 4 Euro pro Kilo bei bester Qualität) an die Champagnerhäuser weiter verkaufen, ihren eigenen Schaumwein, für den Eigenbedarf und für eine überschaubare Stammkundschaft.

Das ergibt eine ungeheure Fülle an Geschmacksrichtungen. Da kann der Champagner-Lehrling fachkundige Hilfe durchaus gebrauchen; und die wird ihm im Institut de Champagne gewährt.

Im Zentrum der Champagnerproduktion

"Epernay ist die Stadt des Champagners. Nicht mehr und nicht weniger." (Victor Hugo)

Die Stadt Epernay liegt etwa 30 Kilometer südlich von Reims. Zu seiner Zeit musste als Epernay schon ein Zentrum der Champagnerherstellung gewesen sein. Heute stößt man auf Schritt und Tritt auf Hinweisschilder, gediegene Broncestatuen des berühmten Dom Pérignon und elegante Portale der traditionsreichen Kellereien. 100 Champagnerhäuser existieren in dieser Region, in der es etwa 32.000 ha Weinberge gibt.

Neben den großen Betrieben, die Millionen von Flaschen herstellen und auch exportieren, gibt es viele Winzer mit sehr kleinen Weinbergen, die teilweise ihre Trauben und die Maisons de Champagne zu einem sehr guten Preis (etwa

4 Euro pro Kilo bei bester Qualität) weiter verkaufen, oder selbst Champagner, für den Eigenbedarf und eine überschaubare Stammkundenschaft produzieren.

In Epernay lebt man vom Champagner und hat auch keine Scheu dies zu demonstrieren: sei es durch reich dekorierte Auslagen, die alle Arten von Flaschen und Gläser versammeln, oder durch Speisekarten, die ganz auf den Genuss von Champagner abgestimmt sind, oder durch formvollendetes Understatement der noblen Maison de Champagne.

Zu diesen gehört die Firma Pol Roger. Im Gegensatz zu den vielen anderen großen Champagnerhäusern, die von Konzernen wie Louis Vuitton geschluckt wurden, behauptet der Familienbetrieb nach wie vor seine Unabhängigkeit. Der Firmensitz strahlt Gediegenheit aus.

Im "grünen Salon" werden Großkunden, VIPs, aber auch bei Bedarf Journalisten empfangen - sehr stilvoll. Christian Pol Roger ist der Urenkel des Firmengründers Pol Roger und ist entschlossen die Familientradition aufrecht zu erhalten.

"Sich der Vergangenheit bewusst sein und dennoch in die Zukunft schauen", das ist sein Credo leibhaftiger Garant für diese Devise. Im eleganten Anzug und Krawatte ist er der formvollendete Gastgeber, erklärt die unterschiedlichen Lagen, die Vorzüge der Keller im Kreidefelsen, die schon die Römer als Weinlager genützt hatten und spricht auch über jene Zeit, als die Weingüter der Champagne zu Lieferanten der deutschen Wehrmacht wurden.

Zur Zeit der deutschen Okkupation während 1940 waren deutsche Offiziere als Gouverneure und Stadthalter eingesetzt worden.

Sie gaben enorme Weinbestellungen bei den Maison de Champagne in Auftrag. Christian Pol Rocher: "Mein Großvater mütterlicherseits hat mir erzählt, dass die einzelnen Champagnerhäuser und Winzer verpflichtet waren Wein zu extrem niedrigen Preisen an die deutsche Wehrmacht zu liefern.

Einmal kam der verantwortliche deutsche Gouverneur der besetzten Champagne Otto Klebisch zu ihm nach Epernay und sagte: "wir sind ja ihre besten Kunden", doch Großvater antwortete ihm: "ja, die wichtigsten bestimmt, aber nicht die besten."

Die Situation war prekär, gibt Christian Pol Rocher die Erinnerungen seines Großvaters weiter. Offen an der Resistence teilzunehmen wagte man nicht, die Aktionen würden von der französischen Exilregierung von London aus gesteuert.

So spielte sich der Widerstand eher im Alltag ab - die Bevölkerung der Champagne wehrte sich nicht öffentlich, versuchte aber Schlupflöcher im engen Korsett, das ihr die deutschen Machthaber auferlegt hatten zu finden. So verwendete man den Zement, der geliefert wurde, um die Keller zu renovieren dazu, Teile des Kellers abzumauern und so einen Teil der wertvollen Champagner und Weinbestände vor dem Zugriff durch die Deutschen zu schützen.

Das Beste ist gut genug - Winston Churchil bei Pol Rocher

Kurz bevor Sir Winston Churchill heiratete - das war 1908 -, gab er seine erste Bestellung auf. Es liegt aber ein schriftliches Dokument der Bestellung aus dem Jahr 1908 vor. Da orderte Churchill einen Jahr-gangschampagner 1895.

Er liebte sichtlich Champagner und blieb dem Haus Pol Roger und dem Millesim, dem Jahrgangschampagner, über die Jahre treu. Sein Wahlspruch war "das Beste ist gerade gut genug".

Jahrgang 2003

Wie der Champagner des Jahres 2003 werden wird, ist höchst ungewiss, fährt Christian Pol Roger fort. Das Jahr hat höchst chaotisch begonnen, mit Frost im April, dann kam diese Hitzewelle und die Lese musste drei Wochen früher als sonst erfolgen. Allerdings waren die Trauben von allerhöchster Qualität, alkoholreich und süß, jedoch mit sehr geringem Säuregehalt.

Noch kann der Chef des Hauses keine Prognosen abgeben, ob man einen Millesim, im Stile des legendären Jahres 1928 zustande bringen wird - auch in dieser Hinsicht übt er sich in Gelassenheit, ganz wie es sich für einen Spross einer traditionsreichen Familie geziemt. Der Blick nach vorn ist für ihn ebenso wichtig, wie die Achtung vor dem Vergangenen. Und der Vergangenheit hat die Familie Pol Roger viel zu verdanken.

Der kleine Laden

Das absolute Kontrastprogramm zum exquisiten Ambiente des Champagnerhauses Pol Roger bietet die kleine Epicerie der Jaqueline Salvatori, ein paar Straßen weiter.

Seit den 1950er Jahren betreibt die alte, doch durchaus resolute Dame ihr winziges Lebensmittelgeschäft, das neben Wurst, Eiern, Mich Brot, Butter, Konservendosen, Gewürzen und eingelegtem Gemüse immer schon auch die unterschiedlichsten Champagnersorten zu räsonablen Preisen zwischen 12 und 200 Euro im Sortiment hatte. Champagner wird zwar der Wein der Könige genannt, meint Madame Salvatori, aber hier in Epernay trinken alle Champagner, darum muss sie auch gerüstet sein.

Wo immer man hingeht, lacht die alte Dame, wird Champagner getrunken - auch wenn man zum Kaffee geladen ist.

Es wäre eigentlich eine Unhöflichkeit, wenn man tatsächlich eine Tasse Kaffee angeboten bekäme, anstelle eines Glases Champagner.

Immer mehr Touristen frequentieren ihren kleinen Laden, erzählt sie stolz; denn ihre Preise sind in Ordnung - sie steht im guten Einvernehmen mit den großen Champagnerhäusern.

Die ausländischen Gäste verfügen über ein relativ hohes Wissen über Champagner und wollen noch mehr lernen, meint Madame Salvatori und fügt schmunzelnd hinzu: die Leute von hier - die wollen gar nicht so viel wissen - die trinken den Champagner einfach!!

In Epernay fällt es schwer nicht mit Champagner konfrontiert zu sein: hier haben sich vor Jahrhunderten schon etliche große Champagnerhäuser angesiedelt. Entlang der Avenue de Champagne, die auch von herrschaftlichen Bürgerhäusern gesäumt wird. Im Gegensatz zu Pol Roger sind viele von ihnen keine Familienbetriebe mehr und schon längst von großen Konzernen aufgekauft worden.

Dom Pérignon und Moet Chandon

Dieses Schicksal ereilte zum Beispiel die Traditionsmarke Moet Chandon, vor deren Toren eine Statue von Dom Pérignon den Blick auf sich zieht. Das Geschäft mit dem Champagner floriert. Von Zeit zu Zeit verändern sich bloß die Besitzverhältnisse.

Überall in der Stadt dient der Champagner als Vehikel, um zu verkaufen und zu kaufen - allerdings ein Fontäne mit Schaumwein, wie sie einst von Theodor Fontane imaginiert wurde, gibt es immer noch nicht in der Hauptstadt des Champagners.

Allerdings haben etliche Lokale in Epernay ihre Küche ganz auf das prickelnde Getränk abgestimmt und bieten Champagner-Degustationsmenüs an. Auf diese Karte setzt auch der belgische Koch Lieven Vercouteren, der sich vor sieben Jahren in der Champagne niedergelassen und das Restaurant du Theatre übernommen hat.

Likör aus Champagner

Ratafja, das ist Champagnerlikör und Marc de Champagne ist eine Art Champagnergrappa.

An diesem Abend serviert der zugereiste Meisterkoch Lieven Vercouteren ein wohl abgestimmtes Menü: geräucherte Entenbrust mit Ziegenkäse, Lammfilet mit Linsengemüse und als Dessert eine Suppe aus Melonen mit Waldfrüchten - und zu jedem Gang, das versteht sich von selbst, den passenden Champagner.