Gerade über die Wagner-Söldner hat Russland immer mehr Einfluss auf dem Kontinent gewonnen. Nun ist auch hier fraglich, wie es weitergehen soll.
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Auf den ersten Blick scheinen Russland und der Sudan zwei gänzlich unterschiedliche Länder. Auf den zweiten Blick tun sich aber viele Parallelen auf. So wie Russlands Präsident Wladimir Putin seinen früheren Koch Jewgeni Prigoschin eine Söldnerarmee aufbauen ließ, ließ auch Sudans Ex-Diktator Omar al-Bashir den Milizführer Mohammed Hamdan Daglo, auch bekannt als Hemeti, gewähren. Dessen Milizen gingen mit äußerster Brutalität gegen Rebellen in Darfur vor und ermordeten politische Oppositionelle.
Doch wie Prigoschin entwickelte Daglo ein Eigenleben. Und als der Diktator geschwächt war, rückte Daglo von ihm ab und griff selbst nach der Macht. Nun herrscht im Sudan Bürgerkrieg, Daglo kämpft gegen Armeechef Abdel Fattah al-Burhan. Zivilisten versuchen, aus der Hauptstadt Khartum zu fliehen, um nicht Opfer eines Raubes, einer Vergewaltigung oder einer willkürlichen Tötung zu werden.
Für den Krieg im Sudan sind nun aber auch die jüngsten Ereignisse in Russland entscheidend. Denn Daglo ist eng mit der Wagner-Söldnertruppe von Prigoschin verwoben. Laut Recherchen von CNN und der Open-Source-Gruppe "All Eyes On Wagner" haben Daglos Truppen erst kürzlich über Wagner Raketen erhalten. Gleichzeitig soll Russlands Außenministerium weiterhin gute Kontakte zur regulären Armee pflegen.
Russland betreibt hier offensichtlich eine Schaukelpolitik und macht gute Geschäfte. Klar ist das Ziel des Kreml: Er will Einfluss gewinnen und Zugriff auf Rohstoffe haben. Russische Firmen sind am lukrativen Goldabbau im Sudan beteiligt, Wagner-Söldner sollen die Minen dort bewachen.
Auch in anderen Ländern wie Mali, der Zentralafrikanischen Republik oder in Libyen hat Russland zuletzt seinen Einfluss ausgebaut - und das wichtigste Vehikel dafür war Wagner. Nun, mit dem Zerwürfnis zwischen Putin und Priogoschin, stellt sich die Frage, wie sich Russlands Afrika-Politik weiterentwickelt.
Das ist besonders entscheidend für die Regierungen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik. Beide Länder haben zuletzt enge Beziehungen zu Russland geknüpft und sich um militärische Unterstützung im Kampf gegen Islamisten und innenpolitische Gegner bemüht.
Was Wagner machte, blieb oft im Ungewissen
Vieles blieb dabei im Ungewissen. So ist Russland zwar ganz offiziell ein wichtiger Partner der beiden Länder. Es bot etwa Mali im vergangenen Jahr nicht nur militärische Hilfe an, sondern beliefert das Land auch mit Treibstoff, Dünger und Lebensmittel. Gleichzeitig sind aber Wagner-Söldner im Land, um Islamisten und andere Aufständische zu bekämpfen. Im Gegenzug können russische Firmen Rohstoffe ausbeuten.
Da dies kein offizieller Einsatz ist, haben sich hier Parallelstrukturen entwickelt: Es ist vollkommen unklar, wie viele Wagner-Söldner im Land sind und welche Einheiten das sind. Deshalb müssen sie sich auch nicht für ihre Taten verantworten. Menschenrechtsorganisationen haben sehr gut dokumentiert, wie bei einem Wagner-Anti-Terror-Einsatz in der Kleinstadt Moura rund 300 Zivilisten getötet wurden. Das bleibt für die Täter ohne Folgen.
Wagner war damit ein nützliches Instrument für Präsident Wladimir Putin. Die Söldner verrichteten beim Ringen um Einfluss in Afrika die schmutzige Arbeit für den Kreml. In der Zentralafrikanischen Republik wurden sie dabei zum Staat im Staate. Sie bilden dort sogar die Leibgarde von Präsident Faustin Touadera und Prigoschins Konzern M-Invest beutet im Gegenzug die Diamantenminen aus. Darüber hinaus hat der für seine Trollfabriken bekannte Prigoschin auch hier, wie in andern Ländern, prorussische Infokanäle etabliert.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow verkündet am Montag, dass der Kreml die Präsenz in Afrika aufrechterhalten will. Dabei will Putin aber wohl auch in Afrika Prigoschin aus dem Weg räumen. Das könnte zur Folge haben, dass sich die Wagner-Einheiten dort verselbständigen und für noch mehr Gewalt und Chaos sorgen. Als wahrscheinlicher gilt aber, dass der Kreml die russischen Kämpfer näher an sich bindet und sie einfach einer neuen Struktur oder einem neuen Kommando unterstellt.
Der Einfluss Russlands hat freilich auch Auswirkungen auf Europa. So sind im Rahmen von UN- und EU-Missionen zur Stabilisierung Malis dort europäische Soldaten stationiert, die aber seit dem Militärputsch 2021 immer weniger erwünscht sind und wohl bald ausreisen werden. Auch Österreich hat einen Großteil seiner Soldaten bereits abgezogen. Zwei Bundesheer-Angehörige sind noch bei der UN-Mission Minusma im Einsatz sowie vier im Rahmen der EU-Ausbildungsmission EUTM.
Außerdem macht sich Russland immer mehr in Regionen breit, die für die Stabilität Europas entscheidend sind. So ist Moskau auch in Libyen, von wo aus zahlreiche Flüchtlinge und Migranten nach Europa aufbrechen, mit Milizen verwoben. (klh)