Richter nimmt Bank Austria in die Prospekthaftung - sie wird berufen.
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Wien. Den Fluch der "Investmentgeschäfte" mit dem mittlerweile zu 150 Jahren Haft verurteilten Milliarden-Betrügers Bernard Madoff wird die UniCredit Bank Austria anscheinend nicht so schnell los. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Wien gegen die Bank Austria in Sachen Primeo Fund hat Kapitalmarktanwalt Lukas Aigner, von der Kanzlei Kraft & Winternitz, erneut einen Primeo-Erfolg gegen die Bank erzielt. Beide Urteile sind aber nicht rechtskräftig, die Bank kündigte Rechtsmittel an. Laut dem OLG-Urteil hätte der Primeo Fonds in Österreich gar nicht zugelassen werden dürfen.
Im Mittelpunkt des neuen 34-seitigen Urteils (55 Cg 35/11z) aus der Feder des Wiener Handelsrichters Heinz Ludwig Majer steht das Anlegerschutzgesetz der Prospekthaftung. "Das neue Urteil ist in der Begründung noch ziselierter. Weil eben der Prospekt falsch ist, kommt es auf die Frage der Zulassung oder Nichtzulassung des Primeo Fonds gar nicht so an" sagt Anwalt Aigner zur "Wiener Zeitung". "Das Urteil ist fast lehrbuchmäßig. Wir sind mit unseren Kernargumenten voll durchgedrungen."
Die Vorgeschichte: Ein hochrangiger ORF-Sportmoderator kaufte 2003 über eine Wertpapierberaterin um 51.000 Euro Primeo-Select-Fonds-Anteile. Er wirft der Bank Austria in der Klage vor, dass die Angaben im Prospekt falsch, irreführend bzw. unvollständig gewesen seien. Er will nun die Rückabwicklung des Investments. Seine Finanzberaterin, die laut Richter ihre Fachkompetenz in einem dreistündigen Kreuzverhör ausdrucksvoll und ohne Widersprüche nachwies, hatte den Prospekt gelesen und dann dem Anleger den Primeo angedient.
Das Urteil im Detail
Nach Überzeugung des Gerichts stellt "der Fall geradezu ein Paradebeispiel dar, dass Prospektangaben unrichtig und unvollständig sind". "Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Bank ergibt sich daraus, dass sie es in ihrer Rolle als Repräsentantin und Prospektkontrollor vernachlässigt hat, eine grundlegende Abweichung der Konstruktion des Primeo von österreichischen Investmentfonds im Emissionsprospekt 2002 darzustellen", heißt es im Urteil. "In jedem Fall hätte der Prospekt in der Weise auf Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert werden müssen, dass die Vereinigung von Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens nicht unerwähnt bleiben durfte." Denn durch diese "Zusammenlegung" hatte Madoff uneingeschränkten Zugriff auf das Anlegervermögen und jede Kontrolle ausgehebelt.
Indes hat die Vermögensberaterin vor Gericht ausgesagt, dass sie aufgrund der Angaben im Emissionsprospekt davon ausging, "dass ein System von Checks and Balances‘, sprich eine gegenseitige Kontrolle, besteht. Sie musste laut Urteil durch die Verwendung des Begriffs Depotbank sogar davon ausgehen, dass eine solche Einrichtung existiert, die das Vermögen der Anleger sichert.
Fortsetzung folgt - Berufung
Auch bei einem ausländischen Fonds, heißt es darin weiter, "ist zu verlangen, dass die für die Depotbank geltenden Bestimmungen und die ihr eingeräumten Rechte so zu stellen sind, dass die Fonds-Anteilsinhaber in ähnlicher Weise geschützt sind wie die eines österreichischen Fonds". "Eine derartige Einrichtung hätte das gegenständliche Schneeballsystem verhindert", meint der Richter. Und bei den im Prospekt genannten Institutionen "handelt es sich nur um die Fassade eines potemkinschen Dorfes". Die Bank Austria wehrt sich gegen diese Rechtsauslegung.
"Die Bank Austria wird gegen das jüngste Urteil des Handelsgerichtes Wien berufen", sagt Bank-Austria-Sprecher Martin Halama. "Bisher gibt es lediglich zwei rechtskräftige Urteile in Sachen Primeo, beide zugunsten der Bank Austria, womit sie unseren Rechtsstandpunkt bestätigen. Darüber hinaus kommentieren wir laufende Verfahren nicht."