Moskau-treuer Wiktor Janukowitsch als Wahlsieger. | Julia Timoschenko dürfte Amt des Premier zufallen. | Kiew/Wien. Noch dauern nach den Parlamentswahlen in Kiew die Koalitionsverhandlungen an. Doch eine Wiederauflage der orange-orangen Koalition zwischen Julia Timoschenko und Wiktor Juschtschenko scheint immer wahrscheinlicher. Gewonnen hat die Wahl zwar mit 26 Prozent der Stimmen der Moskau-treue Chef der "Partei der Regionen", Wiktor Janukowitsch, ihm dürfte es aber kaum gelingen, eine überlebensfähige Koalition zu schmieden.
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Damit spielt die um zwei Prozentpunkte hinter Janukowitsch auf Platz zwei liegende "Prinzessin der orangen Revolution", Julia Timoschenko, im Poker um die zukünftige Regierung die Schlüsselrolle. Ihr Ziel ist klar: eine Koalition mit der drittplatzierten Juschtschenko-Partei "Unsere Ukraine" und der Posten der Regierungschefin.
Schon gestern Montag schien es kurzfristig, dass Timoschenkos Plan aufgehen dürfte - die Unterzeichnung eines orange-orangen Koalitionsabkommens wurde für den späten Vormittag angekündigt. Doch dann zog Präsident Wiktor Juschtschenko vorläufig die Notbremse: "Ich finde es falsch, wenn Koalitionsverträge unterzeichnet werden, bevor das endgültige Wahlergebnis feststeht." Die Verzögerung scheint allerdings nur der Kosmetik geschuldet zu sein - auch wenn der erstplatzierte Wiktor Janukowitsch gestern nicht müde wurde, sich doch noch als potentieller Mitregierer ins Spiel zu bringen: "Wir bieten allen Parteien Koalitionsgespräche an, ob orange oder blau, ob aus Lemberg oder Donezk."
Präsident Wiktor Juschtschenko hat in Wirklichkeit kaum eine andere Wahl als einer Koalition mit Julia Timoschenko zuzustimmen. Der bis zum Wahlsonntag als Notlösung gehandelte Plan B, ein Zusammengehen mit dem Russland-treuen Janukowitsch, kommt angesichts des Wahlausgangs nicht mehr richtig in Frage. In einer solchen Regierung wäre Juschtschenkos Partei nur noch der Steigbügelhalter für den Putin-Freund Janukowitsch. Die "schöne Julia" würde eine derartige Koalition wohl binnen Monaten mit radikaler Oppositionspolitik in die Luft jagen.
Timoschenko "Frau wie ein Atomreaktor"
Dass die Einbindung Timoschenkos der beste Weg ist, um sich vor Angriffen ihrerseits zu schützen, bestätigt auch der bisherige Premier Juri Jechanurow: "Diese Frau ist wie ein Atomreaktor: Solange sie unter Kontrolle ist, arbeitet sie hervorragend, gerät sie aber außer Kontrolle, zerstört sie alles." Tatsache ist, dass die 45jährige vor Populismus nicht zurückscheut, wenn es darum geht ihre Macht zu zementieren. Staatlich subventionierte fixe Preise für Rindfleisch und Benzin verspricht sie den Ukrainern daher mit ebenso leichter Hand wie das für ukrainische Verhältnisse exorbitant hohe Kindergeld, zu dessen Einführung sie Juschtschenko als Premierministerin zwang.
Dass Timoschenko mit der Oligarchengruppe um die Privat Bank eng verbandelt ist, unterscheidet sie hingegen kaum von den anderen Größen der ukrainischen Politik. Auf den Wahllisten aller Parteien waren Vertreter der Oligarchie zu finden.
Anders als ihre Konkurrenten gesteht die schöne Julia aber ihre Verbindung zur Oligarchie relativ freimütig ein: "Ja, diese Leute haben meine Kampagne finanziert. Aber wäre es besser, wenn sie das prorussische Lager unterstützt hätten?" Auch Janukowitsch und Juschtschenko haben ihre "Hausoligarchen" brav auf die Kandidatenlisten gesetzt. Bei Janukowitsch ging auf Platz acht der reichste Mann der Ukraine und Kutschma-Schwiegersohn, Rinat Achmatow, ins Rennen. Als Financiers von Juschtschenkos Kampagne sind wiederum der Medien- und Schokoladezar Petro Poroschenko sowie der Georgier David Schwanija bekannt.