Nur Minderheit an Bus, Bahn und Bim interessiert. | Gesamtlösungen könnten Kosten für Verkehr senken. | Wien.Die Kunden müssen wieder stärker im Mittelpunkt der Verkehrsplanung stehen. "Manchmal hat man das Gefühl, der Fahrgast stört." Dies ist die Quintessenz eines Vortrags des Mobilitätsfachmanns Leonhard Höfler. Im Rahmen der diesjährigen Tagung der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (ÖVG) erklärte Höfler, Verkehrsexperte der oberösterreichischen Landesregierung, man überlege zu selten, was Bus-, Bim- und Bahnfahrer wirklich brauchen. Die Fokussierung auf oft teure Bauprojekte- wie in der heimischen Verkehrspolitik üblich - sei jedenfalls zu wenig.
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Verständliche Fahrpläne
Die Passagiere messen den öffentlichen Verkehr (ÖV) am Komfort und der Flexibilität von Pkw. "Das Auto ist die Vergleichsschablone, die wir mit uns herumtragen." In anderen Worten: Ein Pkw punktet durch die Wohnzimmer-Atmosphäre eines abgetrennten Raumes. Ein Linienbus oder ein Zug können genau dieses Erlebnis nicht bieten. Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen andere Vorteile - wie etwa kurze Umsteigezeiten und leicht merkbare Fahrpläne - geboten werden.
Zahl der Pkw steigt
Die Verkehrsteilnehmer lassen sich Höflers Studien zufolge in drei Gruppen einteilen: 67 Prozent seien ÖV-abstinent, rund 20 Prozent ÖV-affin, 13 Prozent ÖV-abhängig. Die ÖV-Abstinenten haben ein Auto, leben oft in Streusiedlungen mit zu wenig Anbindung an Öffis und verwenden ihren Pkw regelmäßig. Zum Umstieg auf Öffis überzeugen könne man streng genommen nur diejenigen, die ohnehin für den ÖV offen sind.
Zwar nimmt die Zahl der Fahrten mit Öffis in absoluten Zahlen zu, allerdings nicht so stark wie jene mit Pkw. "Ohne wirksame gegensteuernde Maßnahmen wird der öffentliche Verkehr weiter Marktanteile verlieren." 2011 könnten bereits 71 Prozent ÖV-abstinent unterwegs sein, nur mehr 18 Prozent ÖV-affin und nur mehr 11 Prozent ÖV-abhängig.
Sowohl der Motorisierungsgrad als auch die Pkw-Verfügbarkeit steigen in Zukunft weiter an. Der habilitierte Experte geht davon aus, dass sich der Verfügbarkeitsgrad von Kfz bis 2030 auf rund 80 Prozent erhöht. Im Moment hätten rund zwei Drittel Zugang zu einem Auto - sei es über Freunde, Bekannte oder die Familie. Die tägliche Mobilität werde stärker und immer mehr vom Pkw bestimmt.
Ein Grundproblem des ÖV bleibe, dass die Verkehrsplanung der Raumordnung hinterherhinke. Im Klartext: Bebauung im Stadtumland oder gar Streusiedlungen auf dem Land sind zu vertretbaren Kosten nur relativ schwer mit Öffis erschließbar. Man könnte mit den vorhandenen Mitteln wesentlich mehr erreichen, wenn - statt in Städten und Gemeinden Insellösungen zu erarbeiten - die Sache systematischer angegangen würde.
"Der öffentliche Verkehr ist historisch gewachsen." Je mehr Akteure - also etwa Bund, Länder, Gemeinden, Verkehrsverbünde und Verkehrunternehmen - mitspielten, desto schwerfälliger und intransparenter würden die Entscheidungsstrukturen, so Höfler.