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Private bauen aus, Energieversorger zögern

Von Julian Kern

Wirtschaft

Während die Energiewende bei den Haushalten im Eiltempo voranschreitet, straucheln die Energieunternehmen.


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Mehr als 1.000 Megawatt Photovoltaikleistung wurden im Vorjahr in Österreich neu installiert. Im Vergleich zum Jahr 2021 entspricht das einem Plus von 36 Prozent, drei Viertel davon waren Aufdach-Anlagen. Aber nicht nur die Photovoltaik boomt, auch die Photovoltaik-Batteriespeicherung hat sich laut einer Studie im Auftrag des Klimaschutzministeriums mit einem Zuwachs von 91 Prozent fast verdoppelt. Ebenfalls hohe Werte finden sich beim Einbau von Pelletkesseln (Plus von 88 Prozent) und dem Umstieg von fossilem Heizen auf Wärmepumpen (Plus 60 Prozent).

Doch während vor allem Private versuchen, die Energiewende am eigenen Dach oder im eigenen Keller voranzutreiben, zeigen sich die Energieversorger in Österreich, Deutschland und der Schweiz weniger optimistisch. Nur 14 Prozent der Entscheidungsträger dort glauben, dass ihre bisherigen Transformationsmaßnahmen für das Gelingen der Energiewende ausreichen, wie eine Untersuchung der Unternehmensberatung PwC zeigt.

Obwohl mit dem European Green Deal das langfristige Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 festgezurrt wurde, ist dessen Erreichung aus Sicht von PwC damit ungewiss. Für die Stromerzeuger hierzulande gibt es laut Barbara Schmidt, der Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Herausforderungen vor allem bei Fragen rund um die Digitalisierung, beim Netzausbau, sowie bei der öffentlichen Akzeptanz von Infrastrukturprojekten, die das Landschaftsbild ändern. "Die ist kurz gestiegen, als zu Kriegsbeginn in der Ukraine alle Sorge hatten, im Dunklen zu sitzen. Jetzt sehen wir, dass die Akzeptanz der Bevölkerung wieder zurückgeht", sagt Schmidt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "So gibt es vor
allem immer noch das ‚Not in my backyard‘-Phänomen - jeder ist für die Energiewende, aber keiner ist für einen Windpark vor seiner Haustüre."

Bevölkerung soll mitverdienen

Erst Anfang Juni haben sich die Bewohner der steirischen Gemeinde Gaal gegen einen Windpark ausgesprochen. Hier benötigt es laut Schmidt mehr Anreize, die Bevölkerung mit ins Boot zu holen. "Wir brauchen hier auch neue Zugänge, um die Vorteile der Energiewende für die Menschen vor Ort spürbar zu machen. Mit Beteiligungsmodellen wird man etwa zum Mitprofiteur der Infrastruktur." Aus Schmidts Sicht geht es aber nicht nur darum, die Bevölkerung vor Ort zu überzeugen, sondern auch die politischen Rahmenbedingungen abzustecken. Ein wichtiger Schritt wurde mit der Novellierung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hier bereits unternommen. Sehnsüchtig wartet die Branche jedoch auf das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz, das Investitionen unter der UVP-Schwelle erleichtern soll. Schmidt kritisiert zudem, dass auf Kosten der Energiewende auch immer wieder politisches Kleingeld geschlagen wird. "Wir werden immer wieder in diverse Wahlkämpfe hineingezogen werden. Ein parteiübergreifender Konsens, dass an dieser Energiewende gearbeitet wird, wie es ihn in Dänemark gibt, wäre daher wichtig", sagt die Generalsekretärin der E-Wirtschaft.

Sichtbarkeit als Problem

Handlungsbedarf bei den Stromerzeugern gibt es Experten zufolge vor allem auch bei der Digitalisierung. "Die Smart-Meter-Einführung ist noch nicht abgeschlossen, das heißt, die Lieferanten kennen den Kundenverbrauch noch nicht überall. Das wäre aber die Voraussetzung für dynamische Tarife, mit denen Verbraucher aktiv einen Beitrag leisten und auch belohnt werden, wenn sie das Netz weniger in Anspruch nehmen", sagt Schmidt. "So kann man das E-Auto etwa dann laden, wenn gerade viel Strom zur Verfügung steht."

Das Netz ist es auch, das der Branche Sorgen bereitet. Neben dem massiven Ausbau der Erneuerbaren brauche es auch die dafür notwendigen Netzkapazitäten, um die Erneuerbaren ins System zu bringen. "Da spießt es sich noch ein wenig. Hier bleibt abzuwarten, ob am Ende der derzeit laufenden Verhandlungen Investitionsanreize stehen", sagt Schmidt. Ob, wie in der PwC-Befragung ebenfalls erwähnt, wirklich alle Ziele in den dafür festgelegten Jahren erreicht werden, hält Schmidt nicht für primär: "Wichtig ist, dass etwas weitergeht. Fatal wäre, wenn nächstes Jahr eine neue Regierung kommt und wir dann zwei Jahre lang wieder nur über Ziele debattieren."