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Das Buhlen von privaten Gesellschaften um den Postbus ist auf dem Höhepunkt angelangt. Die Privaten fürchten, dass sie auf der Strecke bleiben, wenn die ÖBB den Postbus übernehmen. Eine solche Fusion würde eine marktbeherrschende Stellung (90%) schaffen, haben zwei neue Gutachten ergeben. Dies sei weder volkswirtschaftlich wünschenswert noch im Sinne der Wettbewerbsbelebung, erklärt Norbert Gugerbauer, Rechtsberater der ARGE Erwerbsgemeinschaft.
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"Wir wollen den Verkauf des Postbusses an die ÖBB nicht verhindern, aber das Enstehen eines Monopol sehr wohl," betont Blaguss-Eigentümer Robert Blaguss als Sprecher der ARGE Erwerbsgemeinschaft. Zu dieser haben sich 25 private Busunternehmer zusammengeschlossen. Darunter sind die drei Großen Blaguss, Dr. Richard und Sab-Tours, aber auch kleinere Verkehrsbetriebe wie Pletter aus Vösendorf, Springer aus Klagenfurt, Loacker Tours aus Koblach, Fritz Horst aus Klösterle und Busreisen Heiss aus Hall/Tirol. Sie fordern nun vehement den ihnen vom Ministerrat versprochenen Anteil von 30% am Postbus ein und sind nach wie vor bereit, fast 44 Mill. Euro dafür hinzublättern. Die ARGE könnte sogar den ganzen Postbus übernehmen.
Verärgert sind die 25 über ein Gutachten, das im Auftrag des Kartellgerichts erstellt wurde und das für "Gegengutachter" Gerhard Clemenz eine "unzulässige Unbedenklichkeitsbescheinigung über den Zusammenschluss" der beiden größten heimischen Busunternehmen ist. Denn die Autorin habe jene Gruppe, die maßgeblich auf das Verkehrsmittel Bus angewiesen ist, nämlich Schüler, Lehrlinge und Studenten, unter den Tisch fallen lassen. Außerdem habe sie den Markt großzügig definiert und auch den Autoverkehr berücksichtigt.
Dies mag in der Praxis zwar stimmen, aber der Zusammenhang wird von den Gegengutachter Clemenz als "wissenschaftlich völlig unhaltbar" bewertet. Beide Expertisen wurden dem Kartellgericht übergeben. Busunternehmer Carl Richard ist überzeugt, dass der Zusammenschluss der beiden Giganten nur mit Auflagen genehmigt wird. Er zeigt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zufrieden, dass es durch die Interventionen der Privaten überhaupt zu einer kartellrechtlichen Prüfung gekommen ist. Dass die 30% an die ARGE ohne EU-weite Ausschreibung abgegeben werden können, davon ist Gugerbauer überzeugt. "Teilbereiche müssen in GesmbHs ausgegliedert und von den Privaten übernommen werden." Diese Praxis verstoße nicht gegen das Vergaberecht.
Connex-Desaster in England
Die heimischen Busunternehmer beharren darauf, dass sie zum Zug kommen. Um den Interessenten Connex, die Nahverkehrstochter des französichen Konzerns Veolia Environnement (vormals Vivendi) ist es mittlerweise ruhig geworden. Robert Blaguss warnt davor dass die Franzosen in Österreich Fuss fassen. Er verweist auf das Connex-Desaster in Südengland. Dem Unternehmen wurde von der brititschen Eisenbahnbehörde (SRA) die laufende Konzession Ende Juni für die 1.500 Linien wegen grober Mängel entzogen. Der Vertag wäre erst 2006 abgelaufen. Es war das erste Mal, dass die SRA so hart durchgriff. Die Züge waren unpünktlich, überfüllt und verschmutzt, das Personal unfreundlich. Jetzt muss der Staat den Betrieb auf den Strecken sicherstellen. Connex kämpft mit enormen Finanzproblemen. Bereits 2002 rettete der britische Staat das Unternehmen mit 60 Mill. Pfund vor der Pleite. Doch das reichte nicht, Connex forderte weitere 200 Mill. Pfund. Die Veolia-Tochter ist aber nur eines von vielen maroden Verkehrsunternehmen in England. Die Briten fordern nun die Wieder-Verstaatlichung des Bahnsystems.
Reise in die Vergangenheit
Der erste österreichische Postbus startete am 6. August 1907 auf der Strecke zwischen Neumarkt und Predazzo im heutigen Trentino. Die Initiative ging vom damaligen Generaldirektor für Post- und Telegrapgenangelegenheiten, Friedrich Ritter Wagner von Jauregg, aus. Die ersten beiden Busse stammten aus dem Daimler-Werk in Wiener Neustadt und konnten je 17 Passagiere transportieren. Mit ihren 28 PS brachten sie eine Höchstgeschwindigkeiit von damals beachtlichen 22 km/h zustande.
1912 waren bereits 150 Busse im Einsatz, ein Jahr später begann die Post mit der Eigenproduktion der Wagen. Der ET 13 (Post-Einheits-Type 1913) nahm seine Fahrt auf. Im Ersten Weltkrieg mussten 180 Automobile dem Militär zur Verfügung gestellt werden, was für die Entwicklung des Postbusses einen großen Rückschlag darstellte. 1919 wurden die ersten Linien auf dem nunmehr stark verkleinerten österreichischen Staatsgebiet wieder in Betrieb genommen. 1931 gab es bereits 232 Linien.
Nach dem Anschluss im März 1938 an Deutschland ging die österreichische Post und damit auch der Postbus in die Deutsche Reichspost über. Der Zweite Weltkrieg brachte den Betrieb vollständig zum Erliegen. Ab dem Ende der Vierziger Jahre wurde der Bestand an Bussen nach und nach vergrößert und erneuert.
1970 nahmen die Nachfolger der Einheitstype, der SL12 und der SL10, ihren Betrieb auf.
1988 kam es zur Zusammenarbeit zwischen dem Postbus und dem Kraftwagendienst der ÖBB unter der Bezeichnung "Bundesbus" (BB). Dieser ist aber seit 1996 wieder Geschichte.