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Der Druck von Gewerbe und Industrie auf die Kommission ist groß, die Auflagen und Kosten bei der Abwasserentsorgung so niedrig wie möglich zu halten. Obendrein ist Wasser (Ver- und Entsorgung) ein wichtiger Wirtschaftszweig. Mit einem Jahresumsatz von 80 Mrd. Euro liegt er sogar über dem Erdgasmarkt. Im Zuge eines gezielten Lobbyings der Industrie und Versorgungskonzerne wird ähnlich wie bei der Strom- und Gasmarktliberaliserung überlegt, auch den Wassermarkt für den Wettbewerb zu öffnen.
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Die EU hat ein Grünbuch zu Dienstleistungen von öffentlichem Interesse herausgebracht. Es dient als Diskussionsgrundlage für weitere Liberalisierungsschritte. Karl Doutlik, Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Österreich, kennt die Ängste der Österreicher vor dem "Ausverkauf" des Wassers: "Die EU beabsichtigt nicht, in Besitz- und Rechtsverhältnisse einzugreifen."
Was die EU-Kommission jedoch plant, ist die Liberalisierung, also das Wasser dem Wettbewerb zu überlassen. Denn Wettbewerb geht der EU über alles. Vorreiter in Sachen Marktöffnung war, wie bei Strom und Gas, England. Mittlerweile ist RWE Thames Water, eine Tochter des deutschen Stromgiganten RWE, die Nummer eins bei Wasserver- und -entsorgung in Großbritannien. Aber auch französische Konzerne wie Veolia Environnement (vormals Vivendi), Suez-Lyonnaise des Eaux, SAUR und auch der deutsche Atomstromkonzern E.ON sind weltweit im Wassergeschäft tätig und auf der Suche nach neuen Märkten.
Zu niedrigeren Preisen habe die Versorgung durch Private nicht geführt, warnt Christian Felber von Attac. Was die EU betreibt, hält er für "bewusste Irreführung der Öffentlichkeit". Sobald private Konzerne "als Betreiber auftreten, geht es nur noch um Profite und nicht um die flächendeckende Versorgung". Mit der ersten verpflichtenden Ausschreibung hätten die Privaten den Fuß in der Tür. "Sollte zuerst die Abwasserentsorgung den Multis überlassen werden, beginnt die Salamitaktik, und weitere Scheiben wie die Trinkwasserversorgung werden verlangt."
Auch der Umweltdachverband warnt vor den Vorhaben der EU. Dessen Präsident Gerhard Heilingbrunner kritisiert: "Wie bei der Stromliberalisierung sollen auch beim Waser die Haushalte für die Großverbraucher die Liberalisierungsdividende bezahlen. Doch die dicken Fische gehen wieder einmal an die europäischen Großkonzerne." Auch gebe es einen unüberwindbaren Widerspruch zwischen Wettbewerbspolitik und Umweltschutz. "Die EU-Kommission sollte sich der Umwelt besinnen."
Gegen die zwangsweise Ausschreibung von Dienstleistungen im Wassersektor ist Hans Seiler, Präsident der Österreichischen Vereinigung für Gas und Wasser sowie Leiter der Wiener Wasserwerke. "Der erzwungene Wettbewerb könnte die gute Versorgung in Frage stellen, denn die Investitionen orientieren sich bis dato an der sicheren Versorgung und nicht ausschließlich an kommerziellen Gesichtspunkten." Sailer fürchtet, dass ein Verdrängungswettbewerb zur Monopolisierung führen wird.