Premierministerin und Anführerin der Opposition sind sich spinnefeind. | Straßenkämpfe, Generalstreik und Proteste erschüttern asiatisches Land. | Dhaka. Die Opposition in Bangladesch hat ihren politischen Kampf auf die Straße getragen. Seit Wochen protestieren die Anhänger der Bangladesh Nationalist Party (BNP) gegen die Regierung. Steine flogen, Autos brannten und immer wieder kam es zu Kämpfen zwischen Anhängern der BNP und der regierenden Awami League. Am Mittwoch traf sich die Führung der BNP, um weitere Aktionen zu planen.
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Und sie bezeichnete den Generalstreik am Dienstag als "Erfolg". Dieser war der bisherige Höhepunkt der Protestaktionen. Viele Schulen und Geschäfte blieben geschlossen. In den Häfen stapelten sich Textilartikel, Bangladeschs wichtigstes Exportgut, und konnten nicht verschifft werden. Die Regierung ging schon im Vorfeld des Streiks hart gegen die Opposition vor. Hunderte Funktionäre der BNP wurden verhaftet.
Langjähriger Konflikt zweier Familien
Das Motiv für den Streik war laut BNP der autoritäre Führungsstil der Regierung. Doch im Hintergrund steht der Kampf zweier mächtiger Rivalinnen. Premierministerin Sheikh Hasina von der Awami League und Oppositionsführerin Khaleda Zia von der BNP sind sich schon lange in tiefer persönlicher Feindschaft verbunden. Sie sind beide Mitte 60 und entstammen zweier einflussreicher Familien, die sich seit Jahrzehnten befehden.
Die Anführerinnen der beiden größten politischen Parteien wechseln sich seit Anfang der 1990er Jahre im Premiersamt ab. Und kaum ist die eine an der Macht, ruft die andere ihre Anhänger zu Protesten auf, die dann oft gewaltsam verlaufen. Der Straßenkampf wurde so zum beliebten Instrument in der politischen Auseinandersetzung.
Derzeit hat Hasina in Bangladesch das Sagen. Und sie nützt ihr Amt als Premierministerin, um alte Rechnungen mit Zia zu begleichen. Die Oppositionsführerin musste kürzlich ihr Haus räumen. Hasina hatte zuvor verkündet, dass Zia kein Recht hat, in dem Gebäude - ursprünglich die Residenz des Armeechefs - zu wohnen.
Kritiker werfen nun Hasina vor, dem Privatkrieg mit Zia viel zu viel Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen, anstatt sich auf die Tagespolitik zu konzentrieren. Denn sie könnte in dem armen Land derzeit jede Menge Reformen durchbringen. Ihre Awami League fuhr bei den letzten Wahlen 2008 einen Erdrutschsieg ein und besitzt eine satte Mehrheit im Parlament, während die BNP über wenig Abgeordnete verfügt.
Der Großteil der Bevölkerung ist jedenfalls der Auseinandersetzung längst müde. Die ständigen Streiks werden zumeist nur von einigen Parteisoldaten getragen. Dass trotzdem jede Menge Geschäfte geschlossen bleiben, liegt nicht daran, dass es große Unterstützung für die Protestaktionen gibt. Die Ladenbesitzer haben einfach Angst, in gewalttätige Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden.
Ärger über Korruption und Stromausfälle
Viele Leute haben ohnehin ganz andere Sorgen als die ständige Privatfehde zweier Politikerinnen. "Überall gibt es Korruption, und täglich kommt es zu Stromausfällen", beklagt sich etwa Shabber Ahamad, der ein Geschäft in der Hauptstadt Dhaka besitzt. Und den ärmeren Bevölkerungsschichten, die täglich ums Überleben kämpfen, machen besonders die gestiegenen Lebensmittelpreise zu schaffen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, die Probleme des Landes zu lösen, ist gering. Die beiden Großparteien werden vor allem als Seilschaften wahrgenommen, die bestimmten Geschäftsleuten dienen.
Awami League und BNP hatten jedoch schon einmal ausgedient. Von 2007 bis 2008 war eine vom Militär getragene Übergangsregierung an der Macht. Sie versprach, mit der Korruption aufzuräumen. Tatsächlich kam es zu Anklagen gegen hochrangige Politiker, sogar Hasina und Zia mussten vorübergehend ins Gefängnis. Doch mittlerweile sind die beiden einflussreichen Rivalinnen zurück - und mit ihnen die alten Grabenkämpfe, die das Land schon so lange lähmen.