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"Privatsheriffs" sind im Kommen

Von Franz Pechmann

Wirtschaft

Sicherheit wird für Staat zu teuer. | Private stoßen ins Vakuum. | Wien. Wenn von Sicherheit die Rede ist, ist damit auch immer eine philosophische Grundsatzfrage angesprochen. Denn der Staat leitet seine Daseinsberechtigung aus einer seiner zentralsten Aufgaben ab: den einzelnen Bürger zu schützen. Anders gesagt: auch durch die Gewährleistung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung schafft sich der Staat seine Rechtfertigung, von seinen Bürgern Gegenleistungen (Steuern, Einschränkungen der Eigeninteressen im Hinblick auf das öffentliche Interesse, etc) zu verlangen.


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Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich nur der Staat durch seine Organe mit Hoheitsgewalt ("imperium") auftreten darf. Auch wenn niemand gerne festgenommen wird, oder auch nur seinen Führerschein "abgibt": bei den Organen des Staates wird dies geduldet, weil man weiß, daß die Methoden effektiv, von Rechtstaatlichkeit geprägt und letztlich zum Schutz des Einzelnen sind. Aber wer würde sich von seinem Nachbarn verurteilen oder auch nur vorladen lassen?

Wachdienste für Staat und Private

Diese rechtlichen Grundsätze werden aber in letzter Zeit durch tatsächliche Entwicklungen zunehmend in Frage gestellt. Es hat vereinzelt den Anschein, daß sich der Staat - aus finanziellen Gründen oder Kapazitätsengpässen - oftmals nicht mehr in ausreichendem Maß um die Aufrechterhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung kümmern kann. Doch in dem Maße, in dem sich die Polizei wegen leerer Kassen zurückzieht, besetzen Private das Vakuum...

Nun kann der Staat aber nicht nur hoheitlich tätig sein, sondern auch "privatwirtschaftlich" agieren. So beschäftigt er etwa vor Bundesministerien und bei Gerichtseingängen private Wachdienste. Auch Privatunternehmen wie etwa Banken und Juweliere machen vermehrt Gebrauch von nicht staatlichem Sicherheitspersonal, gut ersichtlich am Beispiel der Wiener Innenstadt. Diese privaten Sicherheitsdienste knüpfen ihre Berechtigung am Recht des Einzelnen zur Selbsthilfe an. Dieses "Selbsthilferecht" entsteht, "wenn staatliche Hilfe zu spät kommt" (vgl §§ 19, 344 ABGB, §3 StGB).

Private dürfen mehr als die Exekutive

Gemeinsam ist diesen Varianten, dass die jeweiligen privaten Ordnungshüter ohne Hoheitsgewalt auftreten. Dies stellt sich allerdings nur auf den ersten Blick als Vorteil da. Denn in Wahrheit sind die privaten Notrechte weiter gefasst als die Befugnisse der Staatsorgane! Vergleicht man etwa das private Notwehr- und Nothilferecht des § 3 StGB mit dem Waffengebrauchsrecht der Exekutive, ist festzuhalten, daß ein Mitarbeiter eines privaten Wachdienstes, dem keine staatliche Hoheitsgewalt eingeräumt wurde, theoretisch mehr "darf" als ein Sicherheitsbeamter der Polizei.

Denn das private Nothilferecht kann zur verlässlichen Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs auf Leib und Leben, Freiheit und Vermögen verwendet werden. Kommt als gelindestes Mittel zur Gefahrenabwehr nur die Benützung einer Waffe in Frage, so darf diese auch in lebensgefährdender Weise eingesetzt werden.

Im Waffengebrauchsgesetz der Exekutive hingegen ist festgelegt, dass ein lebensgefährdender Waffengebrauch bei Eigentumsdelikten nicht gestattet ist (§7 leg.cit legt taxativ fest, wann der mit Lebensgefährdung verbundene Gebrauch einer Waffe gegen Menschen zulässig ist).

Wenn man dann noch zusätzlich ins Kalkül zieht, dass der Ausbildungsgrad im privaten Bereich jenem der Hoheitsverwaltung in der Regel nachhinken wird, zeigt sich die Gefahr einer nicht unbeträchtlichen Rechtsschutzlücke.

Zuletzt ist noch auf die "Beleihung" einzugehen. Hierbei werden ebenfalls Privatperson zur Durchführung staatlicher Aufgaben, zum Beispiel der Gewährleistung der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung, herangezogen. Die Besonderheit gegenüber obigen Beispielen ist allerdings, daß die Privaten auch Hoheitsgewalt, also "imperium" übertragen erhalten.

Private Wachdienste eine Verpflichtung?

Unter Umständen ergibt sich im Einzelfall sogar bereits eine rechtliche Verpflichtung für gewisse Unternehmen, sich eines Wachdienstes zu bedienen. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 19. Jänner 2005 (2R 270/04x) haftet eine Bank ihren Kunden für Schäden aus einem außerhalb der Bankräumlichkeiten begangenen Raubüberfall, wenn die Sicherheitsvorkehrungen des Kreditinstitutes mangelhaft waren.

Das Oberlandesgericht nimmt in der Urteilsbegründung neben einem zuzumutenden Sichtschutz beim Schalter auch Bezug auf das Erfordernis allenfalls abzustellender "Wachdienstbeamten": "(...) Die Bank ist nicht nur verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor Überfällen zu schützen und zu diesem Zweck - wie es manchmal geschieht - Sicherheitsbeamte in den Filialen abzustellen, sondern auch ihre Kunden. (...)

Der Oberste Gerichtshof befasste sich jedoch im nachfolgenden Urteil vom 23. Juni 2005 (6 Ob 77/05z) aus formalen Gründen nicht mit den zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen für Banken. #

Abkehr von staatlichen Kernaufgaben?

Die Beleihung Privater mit Sicherheitsaufgaben ist umstritten, da die Gewährleistung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung eine Kernaufgabe des Staates darstellt. Daß Private wesentliche Aufgaben im Sicherheitsbereich übernehmen, könnte einem Eingriff in das staatliche Gewaltmonopol gleichzusetzen sein.

Die herrschende Lehre ist der Ansicht, es dürfte kein absolutes Ausgliederungsverbot der Staatsaufgaben an Private geben. Der Verfassungsgerichtshof (VfSlg 14.473) hat hiezu allerdings die Ansicht vertreten, daß die Vorsorge für die Sicherheit im Inneren grundsätzlich zum ausgliederungsfesten Kernbereich hoheitlicher Staatsaufgaben zu zählen ist. Ob das Verbot der Ausgliederung absolut gilt, oder vereinzelte Aufgaben sehr wohl übertragen werden dürfen, geht aus dem Erkenntnis nicht hervor.

Jedenfalls geht der Gesetzgeber von der Zulässigkeit aus. Mit BGBl Nr. 760/1996 wurde unter anderem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und übertrug Mitarbeitern privater Sicherheitsunternehmen hoheitliche Befugnisse für die vor Gerichtsgebäuden durchzuführenden Kontrollen des Verbots der Mitnahme von Waffen. So bestimmt §5 Abs 2 leg.cit., daß der Verweis aus dem Gerichtsgebäude mit angemessener unmittelbarer Zwangsgewalt durchgesetzt werden kann.

Zusammenfassend wird es sich der Staat nicht leisten können, Private mit Agenden im Sicherheitsbereich zu betreuen, wenn deren unbestrittene Professionalität und Ausbildung nicht gewährleistet ist.

Damit die Bevölkerung, aber auch Polizei und private Sicherheitsanbieter wissen, woran sie sind, bedarf es wohl vor allem eines: einer klaren Regelung des Gesetzgebers, die nicht einem Anlaßfall dient, sondern mit Weitblick auf veränderte Umstände Rücksicht nimmt und ein klares Konzept vorweist.