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Wollen wir wissen, was in unserem Luftraum passiert? Wollen wir entscheiden können, wem wir einen Überflug über Österreich erlauben und wem nicht? Wollen wir damit unsere Souveränität auch in der Luft aufrechterhalten? Wenn die Antwort Ja ist, brauchen wir Abfangjäger, die aufsteigen, Nachschau halten und Maßnahmen ergreifen können. Ohne eine solche Luft-Polizei könnte ein Schwarzflieger nicht einmal identifiziert werden, da man auf den Radarschirmen nur Lichtpunkte sieht. Unser Luftraum wäre für jedermann frei, etwa für Zollvergehen, den Transport von Waffen, Drogen, chemischen oder biologischen Kampfstoffen, den Schmuggel von Menschen und Material oder Terror-Bedrohungen.
Das oft verwendete Gegenargument, Österreich sei so klein, dass Abfangjäger ohnehin zu spät am Einsatzort wären, hält nicht: Unser Luftraumüberwachungssystem "Goldhaube" erfasst unbekannte Flugobjekte, die Österreich ansteuern, bereits weit außerhalb des Staatsgebietes. Erstens können Abfangjäger also in der Regel rechtzeitig aufsteigen und zweitens befinden sich in besonderen Situationen immer österreichische Flugzeuge in der Luft. Nach den Erfahrungen des 11. September wird man das zum Beispiel bei Großereignissen wie Europacup-Endspielen annehmen können. Den Zuschlag für solche Veranstaltungen werden in Hinkunft wohl nur Staaten mit einer funktionierenden Luftraumüberwachung erhalten, wie sie auch bei der Fußball-WM in Japan und Südkorea aufgezogen wurde.
Für die Luft-Polizeifunktion ist eine Mindestanzahl an Flugzeugen erforderlich: Ein Drittel der Maschinen befindet sich ständig in Wartung, der Rest wird für die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft an zwei Standorten benötigt. Mit der Reduzierung von 24 auf 18 Stück sind wir an der Untergrenze angelangt: Es können nun keine Maschinen in internationale Einsätze entsendet werden - und für Ausbildungs- und Trainingszwecke wird man auf die alte SAAB OE 105 zurückgreifen müssen. Zum Vergleich: Ungarn hat 27 Flugzeuge, Finnland 64, die Schweiz 154, Schweden mehr als 250. Tschechien, das die Entscheidung für den Ankauf von 24 Stück noch einmal überdenken will, hat bereits über 50 Flugzeuge.
Mit einer eigenen Luft-Polizei leisten wir auch einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Sicherheit. Die Sicherheit unserer Nachbarn hängt genauso von einer österreichischen Luftraumsicherung ab, wie das umgekehrt der Fall ist. Wer meint, es genüge, dass die Staaten in unserem Umfeld Geld für ihre Luftraumüberwachung ausgeben, handelt daher sicherheitspolitisch falsch und unsolidarisch. Das gilt für neutrale und nicht neutrale Staaten. Nur nicht neutrale Staaten haben aber die Möglichkeit, andere zu bitten, ihre Luftraumüberwachung zu übernehmen. So sichert etwa Belgien - gegen teures Geld - den luxemburgischen Luftraum.
Unsere Draken haben bisher jährlich bis zu 30 Schwarzflieger im österreichischen Luftraum gestellt. Ab 2005 muss ihr Betrieb aus Sicherheitsgründen eingestellt werden. Ohne Nachbeschaffung würden wir überhaupt keine leistungsfähigen Flugzeuge mehr haben. Damit würden die Luftraumverletzungen deutlich zunehmen. Abfangjäger, die heute durchwegs Mehrzweckflugzeuge sind, braucht man auch für eine glaubhafte Verteidigungspolitik. Während gegenwärtig für Bedrohungen am Boden sehr lange Vorwarnzeiten gelten, können Bedrohungen in der Luft - auch über größere Distanzen - plötzlich entstehen. Das zeigt der Jugoslawien-Konflikt. Erst als österreichische Abfangjäger unseren Luftraum kontrolliert haben, konnten damals bedrohliche Einflüge fremder Kampfflugzeuge verhindert werden.
Wie sensibel der Luftraum ist, machen auch die Terroranschläge vom 11. September 2001 gegen die westliche Wertegemeinschaft deutlich. Der Umstand, dass sie nicht verhindert werden konnten, kann kein Argument für weniger, sondern nur für mehr Wachsamkeit im Luftraum sein.
Abfangjäger sind eine Versicherungs-Polizze, die man nicht erst dann anschaffen kann, wenn es ernst wird. Mit der Wahl des Eurofighter hat Österreich eine optimale Entscheidung getroffen: für ein europäisches Produkt, für zukunftsweisende Gegengeschäfte und für das modernste Flugzeug, das unseren Luftraum weit mehr als 30 Jahre sichern wird. Die etwa 150 Millionen Euro, die wir dafür ab 2005 - über rund ein Jahrzehnt - jährlich bezahlen werden, sind also gut angelegtes Geld. Damit kann man auch keine Steuerreform finanzieren, die jährlich zumindest eineinhalb bis zwei Milliarden Euro kostet.
Dr. Wilhelm Sandrisser ist ÖVP-Kommunikationschef und Mitglied des Institutes für Außen- und Sicherheitspolitik (IAS)