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Problem abgeschoben

Von Alexander Dworzak

Politik

Merkel und Seehofer delegieren den deutschen Asylstreit auch an ihren Koalitionspartner SPD.


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Berlin/Wien. Schwamm drüber, Friede in der Union. Verwerfungen bis hin zum drohenden Ende der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU? Am Tag nach der Einigung gaben sich die beiden wieder ganz als Schwesterparteien. "Für uns ist die Stabilität einer Regierung das ganz Zentrale", säuselte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Vergessen war der Rundumschlag seines CSU-Parteichefs, Innenminister Horst Seehofer, der in Richtung Angela Merkel drohte: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist!" "Das kam vom Sonntag", sagte Seehofer am Dienstag nonchalant. Angesprochen auf seinen Rücktritt und die Frage, ob er damit Merkel erpresst habe, meinte er: "Des is scho wieder Geschichte."

Weniger locker wird das alles in der SPD gesehen. Schließlich sind die Sozialdemokraten Koalitionspartner von CDU und CSU in Berlin und direkt betroffen von der drei Punkte umfassenden Einigung der Konservativen. Die CSU setzte ihre Forderung durch, wonach Personen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können. Merkels Maxime, derartige Maßnahmen dürften nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter geschehen, wurde dabei eingehalten. Es liegt nun ausgerechnet an Innenminister Seehofer, derartige Rückführungsabkommen im Auftrag seiner Kanzlerin auszuhandeln.

Besonders genau wird die SPD den Passus über die sogenannten Transitzentren studieren. An der deutsch-österreichischen Grenze sollen Schnellprüfungen durchgeführt werden, die Asylwerber in den Zentren untergebracht und gegebenenfalls von dort auch zurückgeschoben werden. "Die Verfahren müssten innerhalb kürzester Zeit einschließlich der Rückführung abgeschlossen werden", fordert SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. "Wir haben die Erwartung, dass der Innenminister ein schlüssiges Konzept vorlegt", sagte Lischka.

Die SPD will damit den Druck an das konservative Lager zurückgeben. Unter den Sozialdemokraten wecken die Transitzentren nämlich ungute Erinnerungen an einen Begriff aus der Flüchtlingskrise 2015, als Transitzonen ins Spiel gebracht worden waren. Angesichts von tausenden Personen täglich, die damals kamen, war eine Unterbringung organisatorisch nicht möglich, die Parteispitze verwarf daraufhin den Plan. Der damalige SPD-Justizminister Heiko Maas sprach gar von "Massenlagern", die es galt zu vermeiden. Parteichefin Andrea Nahles sagt, die nun geplanten Transitzentren seien "nicht derselbe Sachverhalt, nicht dieselbe Gruppe" wie damals.

Nichtsdestotrotz wurden Erinnerungen an 2015 geweckt. Das betrifft auch die Diskussion um den rechtlichen Rahmen: Können Transitzenten, ähnlich wie auf Flughäfen, auch an Staatsgrenzen errichtet werden? An den Flughäfen in München, Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg ist es möglich, Asylwerber festzuhalten. Ob CDU/CSU dies auch an der Grenze intendieren, ist nicht bekannt. "Mit einer längeren Festsetzung von Asylsuchenden würde eine rote Linie überschritten", warnt das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR.

Keine geschlossenen Lager

Geschlossene Einrichtungen sind die rote Linie der SPD. Hierin sind sich der Jungsozialist Kevin Kühnert, vormals Anführer des Protestes gegen die Regierungsbeteiligung, und das Partei-Establishment einig.

Selbst wenn die Zentren nicht als geschlossene Einrichtungen etabliert werden, droht parteiintern Ungemach. Schließlich findet sich im Koalitionsvertrag - in der Richtschnur des gemeinsamen Regierungshandelns - kein Wort darüber. Insofern gilt der "erhebliche Beratungsbedarf", den Parteichefin Nahles in Abstimmung mit CDU und CSU sieht, nun auch intern. Am Dienstagabend trat der Koalitionsausschuss der Regierungsparteien zusammen, der bereits tags zuvor tagte. Am Mittwochmorgen besprechen die SPD-Bundestagsabgeordneten die Ergebnisse des Treffens.

Nahles will das Thema Asylpolitik nicht mehr den Parteien rechts der Mitte überlassen. Gemeinsam mit dem ebenfalls als Pragmatiker geltenden Finanzminister Olaf Scholz präsentierte sie diese Woche einen Fünf-Punkte-Plan. Keine nationalen Alleingänge bei Grenzzurückweisungen sind ebenso Teil dessen wie stärkerer Schutz der EU-Außengrenzen. Das entspricht den Ergebnissen des EU-Gipfels vergangene Woche. Im Gegensatz dazu lehnen aber die beiden Sozialdemokraten geschlossene Lager für Migranten in Nordafrika ab.

Außerhalb der engeren Parteiführung wurde das SPD-Konzept nicht vorab präsentiert. Wie sehr die Partei Nahles folgt, muss sich also erst zeigen. Sollten die Bundestagsabgeordneten der Einigung zwischen den Unionsparteien nicht zustimmen, stünde das Ende der Regierung zur Debatte. Angesichts von knapp 20 Prozent in Umfragen kann die SPD kein Interesse an vorgezogenen Neuwahlen haben. Doch wer weiß, ob nicht eine Gruppe einen Ausbruchsversuch aus der teils ungeliebten Koalition wagt.

Die Einigung

Mit diesem Kompromiss ist der Streit zwischen den deutschen konservativen Parteien CDU und CSU - vorerst - beigelegt.

"Wir vereinbaren zur besseren Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Sekundärmigration:

1) Wir vereinbaren an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Grenzregime, das sicherstellt, dass wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise zu hindern.

2) Wir richten dafür Transitzentren ein, aus denen die Asylbewerber in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden (Zurückweisung auf Grundlage einer Fiktion der Nichteinreise). Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen.

3) In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt."