Politologe Emmerich Tálos im Gespräch mit der WZ. | Armutsbekämpfung gibt es nicht zum Nulltarif. | Wiener Zeitung:Was sind die Unterschiede zwischen dem SPÖ-Modell und jenem der Grünen zur bedarfsorientierten Grundsicherung?
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Tálos: Der Unterschied ist nicht so groß. Das sozialdemokratische Modell sieht eine Anbindung an die Erwerbsarbeit vor: Sozialhilfe und Notstandshilfe sollen auf ein bestimmtes Niveau der Mindestsicherung vereinheitlicht werden. Zusätzlich soll ein Mindesteinkommen für Erwerbstätige gelten. Die Grünen sind zusätzlich für eine Grundpension und für ein lebenslangens "fairteilen". Das bedeutet eine partielle Entkopplung von Existenzsicherung und Arbeitsmarktpartizipation. Die Grundsicherung der Grünen ergänzt das bestehende Sozialsicherungsmodell.
Was versteht man unter "Grundeinkommen"?
Auch hier gibt es mehrere Ansätze. Das Modell der Katholischen Sozialakademie des Grundeinkommens ohne Arbeit ist existenzsichernd, beinhaltet individuellen Rechtsanspruch, es gilt ohne Bedürftigkeitsprüfung und es ist mit keinem Zwang zu Arbeit verbunden. Dieses Modell würde die sozialstaatlichen Leistungen nicht ersetzen.
Dem gegenüber steht das neoliberale Modell?
Ja. Menschen ohne Einkommen erhalten eine bestimmte Leistung des Staates in Form einer negativen Einkommensteuer. Daneben gibt es keine Sicherungssysteme (Arbeitslosengeld, Krankengeld) mehr.
Welchem dieser Modelle würden Sie den Vorzug geben?
Die bedarfsorientierte Grundsicherung hat zwar nur eingeschränkte Problemlösungskapazität, ist aber unter der Kategorie der Durchsetzbarkeit die bessere Variante. Und ein Grundeinkommen ohne Arbeit birgt auch die Gefahr, dass die Verbindung zur Arbeitswelt verloren geht.
Für wie wahrscheinlich halten Sie eine Lösung?
Das Problem der Armut ist lösbar. 460.000 Menschen sind in Österreich betroffen. Der erste Schritt wäre eine bedarfsorientierte Grundsicherung.
Was würde das kosten?
Armutsbekämpfung ist nicht zum Nulltarif zu haben, aber sie ist leistbar. Die Kosten für alle Risikogruppen (Pensionisten, Arbeitslose, Sozialhilfe-Empfänger, Familien mit Kindern) würden 900 Millionen Euro jährlich betragen. Zum Vergleich: das Kindergeld kostet im Vollausbau 600 Millionen, die Grundsicherung für Familien mit Kindern über drei Jahren 500 Millionen Euro.