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Problem Nationalstaat

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Katalonien und Schottland - diese beiden Regionen führen die Separatisten-Bewegung in Europa an. Beide Regionen verfügen über eine starke Autonomie, also lokale Parlamente. Deren Bestrebungen, sich vom jeweiligen Nationalstaat Spanien und Großbritannien zu lösen, haben daher auch innenpolitische Gründe. Beide Bewegungen haben allerdings eine Gemeinsamkeit: Sie wollen jeweils in der EU verbleiben, was den Begriff Separatismus deutlich relativiert.

Und es ist ein guter Grund, genauer hinzuschauen auf die Verfasstheit der Europäischen Union.

Zwar wird das Europa der Regionen hochgehalten. Es besteht im Moment aus 270 geografisch, aber nicht politisch zusammengehörenden Teilen, die noch dazu in 33 Ländern liegen - also mehr, als die EU Mitglieder hat.

Aber die reale EU ist fest in den Händen der Nationalstaaten. Der von ihnen gebildete Europäische Rat benötigt für wesentliche Entscheidungen Einstimmigkeit. Selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, einen unabhängigen Staat Katalonien in die EU aufzunehmen, das Veto des Mitglieds Spaniens würde diese zerstören.

Die auf Nationen fußende Organisation der EU begünstigt im Lichte der Globalisierung solchen Separatismus. Im Kern sind es die Ministerräte und der Rat der Regierungschefs, die die weitere Entwicklung hemmen. Weder EU-Kommission noch EU-Parlament treten so auf die Bremse.

Nun gibt es - als Folge des Brexit - die immer stärker diskutierte Idee einer europäischen Staatsbürgerschaft. Sie würde die Freiheit des Personenverkehrs, eine Säule der EU, erheblich erleichtern. Damit gehen aber auch sozial- und steuerpolitische Bestimmungen einher, die überall gelten und nicht nur in einem Nationalstaat. Auch braucht es dann einen Finanzausgleich, der bestehende Körperschaften ihrer Macht beraubt.

Die Überwindung der Nationalstaaten, die meist viel jünger sind als die meisten Regionen, die nun nach Selbständigkeit schreien, würde Europa stärken, nach innen und nach außen. Wie schwer das ist, zeigt Österreich. Denn Österreich wäre dann eine Region, was hierzulande als Zentralismus empfunden würde.

Bevor es also zu vielen Unabhängigkeitsreferenden kommt, wäre es günstig, wenn die EU-Institutionen das Thema grundsätzlich diskutieren. Ohne jene Räte, die nur das Ziel haben, dem Nationalstaat Vorteile zu verschaffen.