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"Problem politischer Diskriminierung"

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Der slowakische Präsident Gaparovic im "WZ"-Interview. | "Bürger müssen Prozess in Minsk in die Hand nehmen." | " Wiener Zeitung": Bei den jüngsten Bezirkswahlen in der Slowakei war die Beteiligung extrem niedrig. Warum diese Politikverdrossenheit?


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Ivan Gaparovic: Die Slowakei hat nach der Wende 1989 einen Weg eingeschlagen, der mit sehr radikalen Reformen verbunden war. In erster Linie ging es darum, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Diese Reformen sind für die Bevölkerung sehr schmerzhaft. Der erhoffte schnelle Wohlstand hat sich nicht eingestellt. Die Menschen werden immer skeptischer und verlieren das Vertrauen in die Politik.

Nicht verwunderlich, dass die linke Opposition "Smer" unter Robert Fico in der Wählergunst führt. Was würde ein Premierminister Fico für die Slowakei bedeuten?

Die Slowakei hat den richtigen Weg eingeschlagen, zu einer prinzipiellen Änderung wird es nicht kommen. Fico kann auch nicht alleine regieren, er wird Rücksichten nehmen müssen.

Österreich hat jetzt die Übergangsfristen für slowakische Arbeitnehmer verlängert. Sehen sie darin unzulässigen Protektionismus?

Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat inzwischen begriffen, dass es wichtig ist, die Grenzen auch für Arbeitnehmer zu öffnen. Es hat sich gezeigt, dass die EU-Länder, die diesen Schritt gewagt haben, davon profitiert haben. In der Slowakei begreift man die Angelegenheit aber nicht in erster Linie als wirtschaftliches Problem, es wird viel eher ein Problem politischer Diskriminierung wahrgenommen.

Die Wahlen in Weißrussland waren nicht demokratisch, in der EU hat man sich schon vor dem Wahlgang sehr kritisch zu Machthaber Aleksander Lukaschenko geäußert. Was halten sie von EU-Sanktionen gegen Weißrussland?

Das Wahlergebnis in Belarus ist keine Überraschung, man muss aber sehen, dass dort die meisten Bürger mit der wirtschaftlichen Entwicklung zufrieden sind. Allerdings muss man auch registrieren, dass die Wahlen undemokratisch waren. Ich denke, der weißrussische Bürger muss jetzt die Entwicklungen in die Hand nehmen.

Ivan Gaparovic ist seit 2004 Präsident der Slowakei, zuvor war er u. a. Parlamentspräsident