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Problem Staatsverweigerer

Von Christian Pilnacek

Gastkommentare

Muss sich eine selbstbewusste Demokratie passiv verhalten?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Über das Phänomen der sogenannten Staatsverweigerer und die Bemühungen des Justizministeriums, dieses zu bekämpfen, ist bereits viel geschrieben worden. Dabei wurde der Versuch des Ministeriums, strafrechtliche Grenzen zu ziehen, stets kritisch gewürdigt.

Ich meine, dass hier Grundsatzfragen zu beantworten sind und die bisherigen Antworten zu kurz greifen. Es geht vor allem darum, wie eine demokratische Gesellschaft mit der grundsätzlichen und vollständigen Ablehnung ihrer Gesellschaftsform umgeht, umso mehr als sich diese Ablehnung auch in der Schaffung eigener Exekutivbefugnisse materialisiert, die auch durch selbsternannte Sheriffs durchgesetzt werden sollen.

Strafrecht sichert Freiheit ab

Muss hier tatsächliche Zurückhaltung geübt werden? Muss hier gewartet werden, bis es tatsächlich zu einem Angriff auf Exekutivorgane, Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger oder Richter gekommen ist?

Nein, ich bin der Überzeugung, dass Schutz der Demokratie auch den Schutz jener umfasst, die zur Durchsetzung dieser demokratisch legitimierten Rechte bestellt sind. Sie schützen unsere Freiheit, die nicht durch das Strafrecht bedroht, sondern abgesichert wird.

Und hier eben die nächste Grundsatzfrage - Organe der Sicherheitsexekutive können Zwangsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung wie Festnahme, Hausdurchsuchung oder Sicherstellung von Beweismitteln nur dann einsetzen, wenn ein entsprechender Straftatbestand besteht; auch das Sicherheitspolizeigesetz gewährt nur dann Befugnisse, wenn eine Gefahr abzuwenden ist, die wiederum als Vorbereitung einer Handlung definiert wird, die einen gerichtlichen Straftatbestand verwirklichen würde.

Man muss sich doch in die Situationen eines Polizisten oder Gerichtsvollziehers versetzen, der einem Staatsverweigerer gegenüber steht, der sich unter Vorweis von Fantasiedokumenten den Anordnungen widersetzt und sich damit auch der Durchsetzung von Rechten anderer widersetzt. Entspricht es unseren Vorstellungen, dass sich Beamte hier unverrichteter Dinge zurückziehen? Wie wirkt das auf jene, die sich rechtstreu verhalten? Motivieren wir sie mit einer solchen Staatsauffassung tatsächlich, sich weiter um ein rechtmäßiges Verhalten zu bemühen?

Unsere Antwort lautet: "Nein"; der nun definierte Straftatbestand zielt exakt auf jene ab, die glauben, sich nicht nur vom Staat abwenden zu können, sondern diesen und seine Organe auch aktiv zu bekämpfen. Man muss hier die Definition wörtlich wiedergeben, um falschen Argumenten entgegenzuwirken: "Eine staatsfeindliche Bewegung ist eine Gruppe vieler Menschen, die darauf ausgerichtet ist, die Hoheitsrechte der Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden oder sonstige Selbstverwaltung) rundweg abzulehnen oder sich fortgesetzt die Ausübung solcher oder behaupteter Hoheitsrechte selbst anzumaßen, und deren Zweck es ist, fortgesetzt auf eine Weise, durch die sich die staatsfeindliche Ausrichtung eindeutig manifestiert, gesetzwidrig die Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen hoheitlichen Entscheidungen der Behörden zu verhindern oder die angemaßten oder behaupteten Hoheitsrechte durchzusetzen."

Ein aufmerksamer Leser wird sogleich erkennen, dass sich Beispiele, wonach "Au-Besetzer" oder Tierschützer von diesem Straftatbestand erfasst wären, verbieten, lehnen diese doch den Staat weder in seiner Gesamtheit ab noch versuchen sie, sich selbst eigene Hoheitsbefugnisse anzumaßen und diese auch durchzusetzen. Es genügt daher nicht, einzelne Entscheidungen nicht anzuerkennen oder sich kritisch mit politischen Fragen auseinanderzusetzen, vielmehr müssen die Hoheitsrechte in ihrer Gesamtheit nicht anerkannt werden.

Strafrecht stärkt die Demokratie

Nicht unter diese Definition fallen daher etwa gewaltfreie Proteste, Demonstrationen oder Aktionen, die eine kritische Auseinandersetzung mit Politik, dem Staat, Politikern oder einzelnen Entscheidungen der Behörden zum Gegenstand haben oder versuchen, ein Überdenken der Entscheidung zu erreichen. Dass die Nichtanerkennung einer einzelnen Entscheidung noch nicht ausreicht, wird auch dadurch unterstrichen, dass es Zweck der Bewegung sein muss, die Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen hoheitlichen Entscheidungen fortgesetzt zu verhindern.

Strafrecht hat eben auch die Funktion, Demokratie zu schützen und zu stärken. Ich glaube, wir leisten mit dem Straftatbestand gegen staatsfeindliche Bewegungen - der am 21. Juni 2017 im Justizausschuss mehrheitlich befürwortet wurde - einen wichtigen Beitrag, unsere Demokratie trotz aller ihrer Schwächen so zu schützen, wie es einer demokratischen Selbstachtung entspricht.