Ähnlich wie Österreich hadert nun auch Italien mit seiner Abhängigkeit von russischem Erdgas.
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Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Das Krisenkabinett NISP, zuständig für Energiefragen, soll dieser Tage im Palazzo Chigi, dem Sitz des italienischen Ministerpräsidenten, Notfallszenarien durchgespielt haben. Die Abschaltung der Beleuchtung für kleinere Denkmäler und Gebäudefassaden zählt dazu. Ebenso die Aufforderung an die Bürger, die Heizung weniger zu benutzen. Vielleicht sogar weniger Brot, Nudeln und Pizza zu konsumieren? "Wir müssen auf ein extremes Notfallszenario vorbereitet sein", schrieb die Tageszeitung "La Repubblica", als sie am Donnerstag von der Besprechung berichtete.
Italien bezieht 45 Prozent seines Erdgasbedarfs aus Russland und ist auch sonst eng mit dem Land verbunden, wirtschaftlich wie politisch. "Im Fall einer Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland hat Italien im Vergleich zu anderen EU-Ländern mehr zu verlieren", sagte Premier Mario Draghi schon vor Tagen. Gleichzeitig betont die Regierung in Rom aber immer wieder, dass die Bereitschaft, sich an Sanktionen gegen Russland zu beteiligen, von derartigen Verflechtungen nicht beeinträchtigt wird. Italien lieferte bereits Flugabwehr- und Panzerabwehrraketen, Maschinengewehre sowie Munition an die Ukraine. Immobilien und Luxusjachten russischer Oligarchen im Wert von 143 Millionen Euro wurden beschlagnahmt.
Brückenkopf für die Sowjets
Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Giancarlo Giorgetti von der Lega, zeigt sich in jedem Fall alarmiert. "Wie im übrigen Europa haben wir große Versorgungsprobleme bei Futtermitteln und Getreide. Es gibt ein Problem mit Stahlschrott und Ton und generell mit allem, was aus Russland, der Ukraine und auf der Ost-West-Route kommt. Die Vorräte sind erschöpft", sagte er.
Etwa 500 italienische Unternehmen sind am Handel mit Russland beteiligt, das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern lag im vergangenen Jahr bei 21 Milliarden Euro. Geschäfte werden vor allem im Energiesektor, aber auch in den Branchen Luft-und Raumfahrt, Telekommunikation, Lebensmittel und Mechanik getätigt. Die Wirtschaftsbeziehungen sind seit Jahrzehnten eng. In den 1960er Jahren, mitten im Kalten Krieg, errichtete der Fiat-Konzern die größte Autofabrik der Sowjetunion in einer Stadt, die dann nach dem italienischen Kommunistenführer Palmiro Togliatti benannt wurde. Gleichzeitig galt Italien lange Zeit als sowjetischer Brückenkopf in den Westen. Die von Moskau mitbestimmte Kommunistische Partei Italiens hatte zwischenzeitlich mehr als zwei Millionen Mitglieder, auch viele italienische Intellektuelle gehörten ihr an.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion machten dann die Oligarchen mit Italien Geschäfte. Wladimir Putin förderte als russischer Präsident Italiens Populisten, vermutlich, um den Westen weiter zu schwächen. Einige italienische Politiker haben es daher nun auch schwer, sich in Folge des Ukraine-Krieges glaubhaft von Putin zu distanzieren. Manlio Di Stefano, Mitglied der Fünf-Sterne-Bewegung und Staatssekretär im Außenministerium, hatte die Ukraine 2016 als "Marionettenstaat" der USA bezeichnet, an einer Parteiversammlung der Putin-Partei "Einiges Russland" teilgenommen und Russland als Opfer westlicher Aggression dargestellt.
Bloßgestellt wurde nun auch Lega-Chef Matteo Salvini, dessen Partei 2017 eine Kooperation mit "Einiges Russland" eingegangen war und im Verdacht stand, von Russland mitfinanziert worden zu sein. Salvini bezeichnete Putin 2019 wegen seines harten Durchgreifens noch als "besten Staatsmann der Welt". Anfang der Woche reiste der Chef der rechten Lega an die polnische Grenze, um ukrainischen Flüchtlingen zu helfen - eine kuriose Wende des Politikers, der seit dem Beginn seiner Karriere mit Polemik gegen Migranten auf Stimmenfang gegangen war. Bei einem improvisierten Pressetermin mit dem Bürgermeister der polnischen Stadt Przemysl wurde Salvini dann von diesem bloßgestellt. Wojciech Bakun zog überraschend eines der T-Shirts mit Putin-Konterfei hervor, das Salvini vor Jahren noch stolz getragen hatte, und lud den Lega-Chef ein, mit diesem Shirt nun zu den Flüchtlingen zu gehen. "Respekt für die Hilfe aus Italien", sagte Bakun. "Aber kein Respekt für Sie, Herr Senator."