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Probleme einer konservativen Partei in einem konservativen Land

Von Walter Hämmerle

Analysen

Michael Spindelegger hätte den kleinen Triumph gut gebrauchen können - als Außenminister wie als ÖVP-Obmann. Doch es hat nicht sollen sein. Die Türkei legte sich gegen die Wahl Ursula Plassniks als OSZE-Generalsekretärin quer. Damit geht die Suche nach einer adäquaten Aufgabe für die ehemalige Außenministerin unter Schwarz-Blau in die nächste Runde. Und zum Schaden hat Spindelegger nun auch den Spott.


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Seit 14. April steht Spindelegger an der ÖVP-Spitze, nachdem Josef Pröll aus gesundheitlichen Gründen den Hut nahm. Die ÖVP hat mit dieser Rochade ein leutseliges, sympathisches Antlitz verloren. Allerdings haben ihr zuletzt nicht einmal die Sympathiewerte ihres Obmanns mehr geholfen.

Spindelegger ist demgegenüber mit einer gehörigen Portion medialer Vorschussskepsis angetreten. Mit Pröll wurde die Hoffnung auf Öffnung einer als verstaubt empfundenen Partei verbunden. Auch aus der ÖVP heraus, aber primär doch von Meinungsführern, die gemeinhin nicht zu schwarzen Parteigängern zählen. Es ist immer gefährlich für eine politische Bewegung, wenn die lautesten Reformwünsche aus den Reihen der Konkurrenz gerufen werden.

Spindeleggers Aufgabe ist es, den verlorenen konservativen Kern zurückzuerobern - aus Sicht einer konservativen Partei nur vernünftig, schließlich belegen alle demoskopischen Befunde die konservative Grundierung Österreichs.

Damit steht das Land keineswegs allein da: Strukturveränderungen werden in keiner saturierten Wohlstandsgesellschaft freudig begrüßt, sind sie doch stets gleichbedeutend mit Verlust. Was der SPÖ ihre gewerkschaftlich organisierten und bestens abgesicherten Vollzeitarbeitnehmer sind, das sind der ÖVP eben ihre Beamten und Bauern. Konservativ sind sie alle.

Spindelegger konzentriert sich bis dato auf die Rückeroberung einstiger bürgerlicher Signalbegriffe für die ÖVP: Seine Parolen für Leistungsgerechtigkeit, Familie und Sicherheit veranschaulichen das. Doch solange diese abstrakten Werte nicht mit konkreten Inhalten gefüllt sind, bleibt weiter unklar, wofür die ÖVP stehen will. Das Versprechen künftiger finanzieller Entlastung ist dabei die leichteste Übung. Glaubwürdiger wäre es, dazu auch zu sagen, wer genau gemeint ist und wer die Rechnung bezahlen soll.

Und noch einen Klotz am Bein schleppt Spindelegger mit sich: die jüngere Vergangenheit der Partei. Grasser, Strasser & Co haben die Ära von Schwarz-Blau - egal, wie man zu ihr inhaltlich steht - hoffnungslos in ihren anrüchigen Beschlag genommen. Mentale Befreiung wohl aussichtslos. Zur Rückeroberung der Deutungshoheit über die Zukunft gesellt sich so auch noch die Last der Vergangenheit.