E-Mails belasten Ex-Minister, Videomitschnitte entblößen ihn.
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Wien. "Mein Englisch ist nicht erstklassig", hatte Ernst Strasser am ersten Verhandlungstag seines Korruptionsprozesses erklärt. So gesehen war man ja vorgewarnt. Doch dazu später.
Tag zwei im Verfahren wegen Bestechlichkeit gegen den früheren Innenminister und EU-Abgeordneten begann damit, dass Staatsanwältin Alexandra Maruna den Angeklagten mit belastenden E-Mails konfrontierte. Darin ließ Strasser bei seinen Fraktionskollegen Othmar Karas und Hella Ranner nachfragen, ob es eine Möglichkeit gebe, Änderungsanträge zur EU-Anlegerschutz-Richtlinie einzubringen - just das, was sich die als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten unter anderem als Gegenleistung für ein Honorar von 100.000 Euro pro Jahr von Strasser gewünscht hatten. In einem als besonders wichtig klassifizierten Mail fragt eine Strasser-Mitarbeiterin beim Büro Karas nach: "Mein Chef müsste dringend wissen, ob euer Chef bereit wäre, einen Abänderungsantrag einzubringen."
Strasser rechtfertigte diese Nachfragen damit, dass er Informationen gebraucht habe, um die Lobbyisten "zu füttern" und diese schließlich als Geheim-Agenten (für die er sie nach eigenen Angaben hielt) zu enttarnen. Er habe "diese Leute hinhalten und bei Laune halten" wollen. Außerdem sei die Nachfrage schon deshalb nicht ernst gemeint gewesen, weil es "in den letzten 20 Jahren nicht einmal vorgekommen ist, dass Karas einen Vorschlag von mir umgesetzt hätte". Schon am Montag hatte Strasser erklärt: "Es ist nicht unbekannt, dass Magister Karas und ich nicht die dicksten Freunde sind."
Während die besagten E-Mails eher gegen Strasser sprachen, wurden die Vorwürfe gegen den gefallenen Politiker durch die Sichtung der Videos eher nicht erhärtet. Diese hatten die als Lobbyisten getarnten Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert bei mehreren Treffen mit Strasser heimlich aufgenommen. Während die zusammengeschnittene Fassung der Filme keinen Zweifel an Strassers Bestechlichkeit lässt, ist die ungeschnittene Fassung differenzierter zu betrachten. Wirklich glücklich sein konnte Strasser aber über die Sichtung nicht, offenbarte sie doch die alles andere als befriedigenden Englischkenntnisse des ehemaligen ÖVP-Delegationsleiters im Europaparlament.
Der erste Mitschnitt stammt vom 11. November 2010 - Faschingsbeginn oder wie Strasser erklärt: "In Austria the people go around and drink beer and schnaps." Er selbst trinke nicht. Auch auf ein üppiges Essen bei dem Treffen in einem Brüssler Lokal verzichtete er, denn "I have to be carful about my body".
Schließlich erklärte Strasser seinen politischen und wirtschaftlichen Werdegang, bevor man darauf zu sprechen kam, was er denn für die Lobbyisten tun könnte: Gespräche mit den entscheidenden Politikern führen, Kontakte herstellen. Was eher nichts bringe, seien Reden im Parlament: Er sei erstaunt gewesen, wie viele Kollegen glaubten, sie würden etwas bewegen, wenn sie eine Rede halten, so Strasser.
Gesprochen wurde auch über Geld - "my clients pay me 100.000 Euro a year" - und darüber, wo er nichts für sie tun könne. Nämlich in den Bereichen, in denen er selbst in den Ausschüssen sitze, also Inneres und Sicherheit. Auch mit Waffenproduzenten wolle er nichts zu tun haben.
Die Filmaufnahmen belegen auch, dass Strasser sehr wohl versuchte, mehr über seine Gesprächspartner herauszufinden. Dem soll auch das zweite Treffen am 3. Dezember 2010 in London gedient haben. Dort will er von den vermeintlichen Lobbyisten wissen, wie sie auf ihn gekommen sind. Über Kontakte habe man erfahren, dass er an "Business" interessiert sei, so die Antwort. Tatsächlich hatten die Journalisten 60 Abgeordnete kontaktiert, drei bissen schließlich an.
Am Donnerstag geht der Prozess gegen Strasser weiter.