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Problemkind Kultur

Von Edwin Baumgartner

Politik

Kultur bekommt kein eigenes Ministerium. | Aus der Vergangenheit gelernt? | Kaum stand die SPÖ als Wahlsieger fest, jubelten die Künstler. Für sie war klar: Unter einem SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer würde es ein eigenes Kulturministerium geben. Und schon wurden Namen kolportiert: André Heller könnte es machen. Oder Erika Pluhar. Vielleicht könnte man auch Rudolf Scholten überreden, es noch einmal zu versuchen. Schließlich war er der letzte Minister, der Kulturagenden verwaltete, ehe der damalige SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima im Jahr 1997 die Kultur zur Chefsache erklärte und in ein Staatssekretariat auslagerte. So blieb es bis 2007: Auf den Kunststaatssekretär Peter Wittmann folgte der Kunststaatssekretär Franz Morak.


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Im ersten Kabinett Gusenbauer wird nun Claudia Schmied mit den Kulturagenden betraut. Damit ressortiert die Kultur zwar wieder in einem Ministerium, nicht aber in einem eigenständigen Ministerium, denn die ehemalige Beraterin des ehemaligen SPÖ-Finanzministers Rudolf Edlinger und zuletzt im Vorstand der Kommunalkredit Austria AG tätige Claudia Schmied wird auch für die Schulen zuständig sein. Eine solche Kombination hat es unter dem Bundeskanzler Bruno Kreisky in Form eines Bundesministeriums für Unterricht und Kunst schon einmal gegeben.

Mag nun der Ruf nach André Heller oder Erika Pluhar auch fern aller politischen Realität erklungen sein - ein Faktum fällt dem Beobachter dennoch auf: Wie sehr Alfred Gusenbauer die Besetzung des Kulturministeriums mit einem profilierten Kulturpolitiker vermieden hat.

Der nicht unumstrittene, aber sicherlich tatkräftige (einigen Künstlern sogar allzu tatkräftige) Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny als Kulturminister wäre ebenso ein Signal gewesen wie die SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen, die sich immer auf Seite der Künstler positioniert hat - auch dann, wenn es politisch vielleicht unvorsichtig war.

Auf jeden Fall aber gibt es eine klare Diskrepanz zwischen den ausgewiesenen Kulturpolitikern Muttonen und Mailath-Pokorny auf der einen Seite und auf der anderen Seite Claudia Schmied, die ihre Karriere vor allem im Bankwesen machte und nie im Licht der Öffentlichkeit stand.

Rosen für die neue Ministerin

Nun ist Schmied sicherlich kein Kultur-Neuling: 1998/99 war sie Vertreterin des Finanzministeriums im Kuratorium der Salzburger Festspiele, 1999 bis 2004 saß sie im Aufsichtsrat der Theaterservicegesellschaft "ART for ART" und von Jänner 2005 bis Juni 2006 im Vorstand der Wiener Symphoniker. Doch obwohl ihr die Salzburger Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler und der scheidende Konzerthaus-Chef Christoph Lieben-Seutter Rosen streuen, ist sie damit noch lange keine ausgewiesene Kulturpolitikern.

Womit sich die Frage stellt, was an der Österreichischen Kulturpolitik so problematisch ist, dass Gusenbauer lieber eine Überraschungskandidatin zur Ministerin macht als einen gestandenen Kulturpolitiker mit klaren Konturen.

Lehren aus der Vergangenheit

"Gebranntes Kind scheut das Feuer", sagt ein Sprichwort. Es kann durchaus sein, dass Gusenbauer zumindest aus dem "Fall Scholten" gelernt hat.

Rekapitulieren wir: Scholten war Kulturminister im Kabinett Franz Vranitzky. Scholten galt bei Künstlern als extrem fairer Verhandlungspartner. Die Öffentlichkeit aber - und keineswegs nur die kulturinteressierte gemäß dem Motto, dass Kultur die Menschen umso mehr aufregt, je weniger sie von ihr verstehen - brachte er gegen sich auf, indem er Claus Peymann als Burgtheaterdirektor und Gérard Mortier als Leiter der Salzburger Festspiele verlängerte.

Sowohl Peymann als auch Mortier standen unter Dauerbeschuss durch die Medien. Scholten handelte durch seine beiden Entscheidungen dem Kabinett Vranitzky einen Konflikt mit den Medien auf einem Gebiet ein, das normalerweise nicht einmal als Nebenkriegsschauplatz Bedeutung gehabt hätte: Nämlich in der Kulturpolitik.

Kunststaatssekretär Franz Morak war der entgegengesetzte Fall: Seine Entscheidungen stießen bei den Künstlern auf scharfe Ablehnung. Moraks Vorleben als Burgschauspieler und Peymann-Gegner ließen ihn in den Augen vieler Kulturschaffender als einen Exponenten konservativer Künstler-Cliquen erscheinen. Damit wurde Morak, noch bevor er weiterreichende Entscheidungen getroffen hatte, zum erklärten Buhmann der fortschrittlichen Künstlerkreise.

Eine Destabilisierung seines Kabinetts durch einen medialen Dauerbeschuss oder ein Sperrfeuer von Seiten der Künstler kann und will sich Gusenbauer nicht leisten. Insoferne ist sein Schachzug mit Claudia Schmied durchaus verständlich: Da sie bisher als Kulturpolitikerin ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt ist, steigt die Chance, dass sie an ihren Leistungen gemessen wird und nicht an ihrer Vergangenheit. Und es steigt die Chance, dass Claudia Schmied aufgrund ihrer Position als Kulturpolitik-Neuling vorsichtig agiert und keine selbstherrlichen Entscheidungen trifft.

Schwere Entscheidung gleich zu Beginn

Von Morak sagte man, er sei Staatssekretär und trete auf wie ein Minister. Vielleicht hofft Gusenbauer auf eine Ministerin, die sich wie eine Staatssekretärin gebärdet.

Nun kann es schon sein, dass es Gusenbauer gar nicht so sehr auf eine weitreichende kulturpolitische Weichenstellung ankommt und dass für ihn das Kulturministerium primär Gelder verteilen und weniger langfristig wirksame Konzepte entwickeln soll. Doch selbst, wenn dem wirklich so ist, muss sich Claudia Schmied gleich zu Beginn ihrer Amtszeit einer schweren Entscheidung stellen, nämlich der Neubesetzung der Staatsoperndirektion ab der Saison 2011/12, wenn Ioan Holender sein Amt endgültig niederlegt.

Am Umgang mit dieser essentiellen Entscheidung wird man das Geschick Claudia Schmieds bei ihrem Einstieg in die Kulturpolitik messen können.

Siehe auch Seite 3