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Pro/Contra: Frauen-Schwerpunkte in Medien?

Von Veronika Eschbacher, Nicole Schöndorfer

Kommentare

Geschichten über Frauen bleiben oft unerzählt, aber was ist mit den 364 Tagen ohne Frauen-Special?


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Die Meinungen gehen oft auseinander: Zwei Journalistinnen erklären ihr pro und contra zu "Frauenspecials" im Journalismus.

Ja, sagt Veronika Eschbacher:<p>Haben Sie schon einmal von der ägyptischen Heavy-Metal-Sängerin Rasha Magdy gehört? Nein? Von Madees Khoury, der einzigen Bierbrauerin Palästinas? Wissen Sie, warum Afghaninnen sich nicht fotografieren lassen? Auch nicht? Wissen Sie, wieviel die ranghöchste Frau in der US-Armee in Schutt und Asche legen kann, wenn sie die Truppen unter ihrem Kommando losschickt? Nein? Wieso heute immer mehr weiße Frauen in US-Gefängnissen einsitzen? Was eine Dirigentin in Deutschland auf die Barrikaden treibt? Wieder nein? Schade irgendwie. Denn nicht nur die erwähnten Frauen selbst sind wahnsinnig spannende und inspirierende Geschöpfe unter dem Himmel, ihre Geschichten erzählen uns auch viel über ihr Land, ihre Kultur und sie helfen uns, aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen besser zu verstehen.<p>

Veronika Eschbacher schreibt aus den USA und Afghanistan. Sie pendelt zwischen Los Angeles und Kabul. Davor war sie Redakteurin im WZ-Ressort Außenpolitik. Auf Twitter berichtet sie sehr spannende Geschichten von ihrer Obsession Afghanistan. Bitte folgen: @VEschbacher  Eschbachers Texte über die Gleichstellung der Republikaner, inhaftierte Frauen in den USA und Partnervermittlerinnen.
© Luiza Puiu

In klassischen Medien bleiben aber Geschichten über Frauen sehr oft unerzählt. Eine Medienanalyse in Deutschland im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass auf einen Artikel über eine Frau fünf Artikel über Männer kommen. Insgesamt ist zwar der Anteil – die Studie untersuchte den Zeitraum 1997 bis Mitte 2016 – der Artikel über Frauen seit 2001 leicht gestiegen, das ist aber alleine Angela Merkel zuzuschreiben. Jeder dritte Bericht über Frauen ist ein Bericht über die deutsche Bundeskanzlerin. Nimmt man Interviews zu verschiedenen Wirtschaftsthemen, ist das Verhältnis von Expertinnen zu Experten 1:12. Man kann getrost annehmen, dass sich die Zahlen für Österreich – minus Merkeleffekt - nicht signifikant unterscheiden.<p>Natürlich ist es traurig, dass der Weg zu mehr Berichterstattung über Frauen offenbar erst über Frauenschwerpunkte führen muss, ganz so, als seien Frauen etwas, das wie eine Olympiade oder eine Ebola-Epidemie wieder vergeht. Aber es wäre unsinnig, auch nur eine Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Jeder spannende Bericht über eine Frau kann Augen öffnen – angefangen beim Journalisten, der erstmals versteht, dass es da einen riesigen Schatz zu heben gibt, den er vorher nicht gesehen hat. Bishin zu den Leserinnen und Lesern, denen – im Gegensatz zu jetzt - ein reales Abbild der Gesellschaft gezeigt wird. Bisher laufen Medien oft mit einem zugehaltenen Auge durch die Welt. Ein Frauenschwerpunkt kann der Ausgangspunkt dafür sein, dass sie verstehen, wie schön eine ungetrübte Sicht ist.

Nicole Schöndorfer ist freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem gegen das Patriarchat. Unter @nicole_schoen stormt sie sehr leidenschaftlich und sehr wunderbar auf Twitter. Folgenswert!
© privat

<p>Nein, meint Nicole Schöndorfer:
<p>Unsere Rechte sind kein Special<p>Frauenspecials sind nicht schlecht. Minderheiten Platz einzuräumen, ist immer gut. Schlecht sind diese Specials nur, wenn sie darin bestehen, dass sich statt der nackten Frau am 8. März ein nackter Mann auf Seite 6 räkelt oder Rabattgutscheine für Düfte und Dessous an die Ausgabe geheftet sind. Schlecht sind diese Specials aber vor allem dann, wenn ihre Initiatoren glauben, dass es damit dann auch wieder getan ist. Nichts ist schlimmer als diese Heuchelei.<p>Wenn es einen Weltfrauentag braucht, damit ihr euch mit Sexismus, sexualisierter Gewalt und struktureller Diskriminierung beschäftigt, um am nächsten Morgen in der Büroküche vor der männlichen Geschäftsführung wieder einen Blondinenwitz zum Besten zu geben, dann redet eure Artikel und Tweets bitte in ein Sackerl. Wenn es einen Weltfrauentag braucht, damit ihr anerkennt, dass Frauenrechte Menschenrechte sind, ergo, dass Frauen Menschen sind, um es am nächsten Tag wieder vollkommen legitim zu finden, dass immer noch überall auf der Welt Frauen für das Recht an ihrem eigenen Körper auf die Straße gehen müssen, dann geht bitte scheißen.<p>Es ist uns egal, ob ihr vor einem Jahr eine Frau auf dem Cover hattet oder vor Monaten eine Geschichte über den Gender-Pay-Gap oder über geschlechterspezifische Hasskriminalität geschrieben habt. Es sind die übrigen 364 Tage im Jahr, an denen eure Stimme und euer Einsatz für bedingungslose Gleichberechtigung gefragt sind. Die ganz normalen Tage. Die Tage ohne Special.