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Prodi: Mit Besonnenheit zum Sieg

Von Micaela Taroni und Gianluca Wallisch

Europaarchiv

Ex-EU-Kommissionschef forciert Beginn einer neuen politischen Ära. | Rom. (apa) Besonnenheit, Zurückhaltung, Zähigkeit und Optimismus: Mit diesen Eigenschaften ist der italienische Oppositionschef Romano Prodi offenbar zum Wahlsieger gegen den seit fünf Jahren amtierenden Medienunternehmer Silvio Berlusconi avanciert. Statt mit Egozentrismus, forschem Zweckoptimismus und vulgären Wähler-Beleidigungen schaffte es der oft introvertiert wirkende Wirtschaftsprofessor aus Bologna, am Sonntag und Montag die Wähler dazu zu animieren, Berlusconi abzuwählen und eine politische Wende in Italien einzuläuten.


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Mit für italienische Verhältnisse ruhigen Tönen führte "Mortadella" bzw. "Tortellino" - wie er von seinen Widersachern wegen seiner Statur und Bologneser Herkunft oft genannt wird - eine Wahlkampagne, in denen vor allem der wirtschaftliche Aufschwung des stagnierenden Industriesystems im Vordergrund stand.

Wirtschaft ist das Salz im Leben Prodis, der 1939 in der Emilia Romagna im roten Mittelitalien als einer von sieben Brüdern geboren wurde. Seine politische Karriere begann er Ende der siebziger Jahre als Industrieminister im Kabinett des Christdemokraten Giulio Andreotti, kehrte aber der Politik nach fünf Monaten wieder den Rücken. Erst im Februar 1995 kehrte er wieder auf die politische Bühne zurück und zwar ausgerechnet als Herausforderer des charismatischen Medienzaren Silvio Berlusconi. Prodi baute den bunt gemischten Mitte-Links-Block "Ulivo" (Olivenbaum) auf, mit dem er 1996 die Parlamentswahlen gewann. 876 Tage blieb er als Chef der 55. Nachkriegsregierung an der Macht. Im Oktober 1998 entzog ihm Kommunistenchef Fausto Bertinotti im Streit um das Haushaltsgesetz und um die Pensionsreform die Gefolgschaft. Nach der Erfahrung als Regierungschef wechselte Prodi nach Brüssel als EU-Kommissionspräsidenten.

Noch aus Brüssel managte Prodi im Herbst 2004 sein Comeback auf Italiens politischer Szene. Seit November 2004 steht er wieder an der Spitze der italienischen Opposition. Bei den Regionalwahlen im April 2005 feierte sein Mitte-Links-Block, nun unter dem Namen "Unione", einen historischen Wahltriumph. Um seine Position als Oppositionschef und als Berlusconi-Herausforderer bei den Parlamentswahlen 2006 zu legitimieren, organisierte Prodi im vergangenen Oktober erstmals in Italien koalitionsinterne Vorwahlen nach amerikanischem Muster.

In den vergangenen Monaten musste Prodi für den Zusammenhalt seines Bündnisses hart arbeiten, das aus elf verschiedenen, äußerst heterogenen Gruppierungen besteht.