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Rom · Italiens Regierungskoalition "Ölbaum", die der designierte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi bei den Parlamentswahlen im April 1996 zum Erfolg geführt hatte, ist knapp dreieinhalb | Jahre nach ihrer Gründung am Ende. Die Allianz aus sieben katholischen und laizistischen Kräften wird de facto wegen scharfer interner Konflikte aufgelöst.
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Trotz Prodis zahlreicher Versuche, die Allianz zu beleben und sie geschlossen zu den Europa-Parlamentswahlen zu führen, wird das Symbol des Ölbaums am 13. Juni auf den
italienischen Wahllisten nicht mehr zu sehen sein.
Prodis Beschluß, im vergangenen Februar eine eigene gemäßigte Bewegung "Demokraten" zu gründen, löste heftige Konflikte unter den Parteien der Mitte im "Ölbaum" aus. Vor allem die Volkspartei (PPI),
Nachfolgepartei der 1993 aufgelösten Democrazia Cristiana und zweitstärkste Regierungspartei, sieht in Prodis Bewegung eine gefährliche Rivalin, die ihr bei den Europawahlen Tausende von Stimmen
kosten könnte. Meinungsumfragen zufolge haben Prodis Demokraten nämlich beste Chancen, mit 15 Prozent der Stimmen zur zweitstärksten Gruppierung im regierenden Mitte-Links-Block aufzusteigen.
Die Volkspartei und die katholische UDR (Demokratische Union für die Republik) des Ex-Staatschefs Francesco Cossiga weigerten sich, mit Prodis Demokraten eine gemeinsame Wahlliste für die
Europawahlen auszuarbeiten. Das Verhältsniswahlrecht, das bei den Europawahlen gilt, bringt das gravierende Problem der Zersplitterung in der italienischen Parteienlandschaft wieder ans Licht.
Prodi erklärte sich bereit, nach den Europawahlen eine Neugründung des "Ölbaums" zu diskutieren, doch in römischen Politik-Kreisen bezweifelt man, daß die streitsüchtigen Parteien der Mitte, die sich
um die Erbschaft der Democrazia Cristiana streiten, jemals wieder unter einen Hut gebracht werden können.
Die Auflösung der Allianz ist ein harter Schlag für Prodi, der vor drei Jahren all seine Energien eingesetzt hatte, um das heterogene Parteienbündnis zum politischen Erfolg zu bringen. Der damalige
Chef der Ex-Kommunisten Massimo D'Alema hatte ihn aufgefordert, als Gegner der Mitte-Rechts-Allianz um den Mailänder Großunternehmer Silvio Berlusconi die Wahlkampagne des Mitte-Links-Lagers für die
Parlamentswahlen im Frühjahr 1996 zu leiten.
Per Bus bereiste der leidenschaftliche Radfahrer Prodi ganz Italien, um die Wählerschaft vor der "Gefahr Berlusconi" zu warnen und für seine Allianz zu werben. Seine Kampagne erwies sich als
besonders erfolgreich.
Die Auflösung des "Ölbaums" droht die Regierung von Massimo D'Alema zu schwächen und die Turbulenzen in der italienischen Parteienlandschaft noch mehr zu verschärfen. Die Kleinparteien bangen
um ihre Identität und wehren sich immer heftiger gegen jede Reform des Wahlsystems, die zur Einführung des reinen Mehrheitswahlrechts und zur Vereinfachung des Parteiensystems führen sollte. Im Kampf
um ihre Identität und Privilegien setzen die Splitterparteien die Stabilität des politischen Systems Italiens aufs Spiel.
Die Regierung in Rom kommt indes auch an einer zweiten Front unter Druck. Die Festnahme der "rechten Hand" des italienischen Wirtschaftsministers Carlo Azeglio Ciampi, Staatssekretär Stefano Cusumano
könnte der gemäßigten Partei um Ex-Staatspräsident Francesco Cossiga den Todesstoß versetzen. Seit Beginn der Anti-Korruptions-Offensive "Saubere Hände" war noch nie ein amtierender Staatssekretär
verhaftet worden. Dem sizilianischen UDR-Poliker wird im Zusammenhang mit der Vergabe wichtiger Bauaufträge auf Sizilien Korruption und Mafia-Verstrickungen vorgeworfen.