"Europa muss zusammenstehen", fordert der frühere EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. | Für den Italiener ist Deutschland größter Euro-Gewinner. | "Austritt aus Währungsunion muss möglich werden." | Wien. "Manche haben die tiefgehende Machtverschiebung, die von der Krise ausgelöst wurde, noch nicht erfasst", erklärt der frühere EU-Kommissionspräsident und Ex-Regierungschef von Italien, Romano Prodi, am Montag in Wien. "Europa steht nun zusammen oder wird von der globalen Landkarte verschwinden."
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Prodi vergleicht das Europa von heute mit dem Italien der Renaissance: "Damals gingen alle Neuerungen, ob technologisch, wirtschaftlich oder kulturell, von den italienischen Städten aus. Die Entdeckung Amerikas war schließlich so etwas wie eine erste Globalisierung. Italien hat nicht bestanden, andere Mächte setzten sich dabei durch."
Nun sei Europa angesichts der Krise und der fortschreitenden Globalisierung in einer vergleichbaren Situation. "Es braucht eine europäische Autorität, sogar Deutschland ist zu schwach, um in dieser Situation allein zu bestehen", sagte Prodi, der auch als Wirtschaftsprofessor lehrte. Neue Mächte wie China, Indien und Brasilien würden immer stärker führende Rollen übernehmen. "Die USA haben sich mit dem Irak-Krieg, dem Einsatz in Afghanistan und im Nahen Osten eine Milliarde Menschen zum Feind gemacht, das ist teuer. China baut gerade eine globale Außenpolitik auf, und gibt dafür keinen Cent aus."
Prodi betonte zwar, dass die europäischen Länder sehr unterschiedlich seien, aber sie benötigten eine Führung: "Der Stabilitätspakt mit der Defizitgrenze ist eine arithmetische Übung, wir brauchen politische Entscheidungen."
Für Prodi sind die Turbulenzen auf den Finanzmärkten rund um Griechenland nicht wegen des griechischen Defizits entstanden, "sondern weil die Märkte sahen, dass es ein Entscheidungsvakuum in Europa gibt".
Erst der 750-Milliarden-Rettungsschirm habe die Gemüter beruhigt: "Bis dahin fielen die Entscheidungen zu langsam."
Prodi tritt für ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten auf. "Es sollte einen Mechanismus geben, dass ein Land die Währungszone oder die Union verlassen kann. "Einer der vielen Fehler, die wir bei der Euro-Einführung gemacht haben", sagte er. "Aber es gab damals auch viele Widerstände."
Romano Prodi, der am Montag Festredner bei der Beratungsfirma Roland Berger war, erwartet in den kommenden zehn Jahren, dass "alle Balkanländer aufgenommen werden. Aber dann ist länger Schluss."