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"Professionalität statt Populismus"

Von Walter Hämmerle

Politik

Kritik an Anti-EU-Wettlauf von SPÖ, FPÖ und AK. | Zweifel an | Führungsstärke des Grünen Spitzen-Duos. | Lob für Fischers Amtsführung. | "Wiener Zeitung": Die Parteien überbieten sich derzeit mit wechselseitigen Vorwürfen des "dirty campaigning". Ist Politik in Österreich ein schmutziges Geschäft? | Wilhelm Molterer: Das glaube ich nicht. In Wahrheit haben wir einen Umgang in der Politik, den ich im internationalen Vergleich sogar als vorbildlich bezeichnen würde. Man spürt aber, dass wir ein Wahljahr haben, und da steht die Profilierung der Parteien an erster Stelle. Übrigens ist noch kein Parteigeschäftsführer als Engel auf die Welt gekommen.


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SPÖ-Bundesgeschäftsführer Darabos hat kürzlich in einem "Wiener Zeitung"-Interview gemeint, zwischen SPÖ und ÖVP gebe es keine Gemeinsamkeiten. Beruht das auf Gegenseitigkeit?

Ich halte diese Aussage für bezeichnend, sie macht deutlich, dass die SPÖ nicht gemeinsam mit uns gehen will, wenn es um Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, Europa oder Sicherheitspolitik geht. Ehrlich gesagt hat es mich schon überrascht, dass Kollege Darabos das in dieser naiven Deutlichkeit ausgesprochen hat.

Was bedeutet das für die Aussicht auf eine große Koalition nach den Wahlen?

Gar nichts. Wir werden jetzt genau so wenig über mögliche Koalitionen reden, wie das SPÖ oder Grüne tun. Wir haben für die Wahl einen soliden Anspruch: Professionalität statt Populismus. Im Herbst wird es darum gehen, welcher Partei und welcher Persönlichkeit die Bürger die Führung des Landes zutrauen. Wolfgang Schüssel hat gezeigt, dass er es kann.

Die Arbeitsmarktdaten weisen Monat für Monat eine neue Rekordarbeitslosigkeit aus. Laut Umfragen trauen die Menschen der SPÖ eher Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu. Was hat die ÖVP falsch gemacht?

Vollbeschäftigung hat für eine christdemokratische Partei absolute Priorität und wir investieren auch viel in dieses Ziel, auch wenn die Situation keine einfache ist. Das zeigen auch die von uns gesetzten Schwerpunkte bei den jüngeren und älteren Beschäftigten oder Wiedereinstiegshilfen für Frauen.

Ein Blick hinter die Kulissen wirft aber auch einige Fragen auf: Fast ein Drittel aller Arbeitslosen im Februar hatte eine Wiedereinstellungszusage. Hier werden Arbeitnehmer auf Kosten der Allgemeinheit einfach stempeln geschickt. Dass auch das Wiener Stadtgartenamt so verfährt, halte ich für eine Groteske.

Diese Möglichkeit nützen allerdings auch Tourismus- und Bauunternehmen.

Das stimmt, und dagegen muss auch etwas unternommen werden. Die Kernantwort hier kann nur heißen: Saisonverlängerung mit dem Ziel Ganzjahresbeschäftigung. Beim Bau könnte das etwa dazu führen, dass man im Sommer den Schwerpunkt auf Neubau, im Winter auf Renovierung legt.

Muss sich die ÖVP nicht trotzdem vorwerfen, die Probleme am Arbeitsmarkt unterschätzt zu haben?

Das glaube ich nicht. Und nur um die Verhältnisse zurecht zu rücken: International ist Österreich noch immer einer der besten Arbeitsstandorte. Klar ist aber auch: Wirtschaftswachstum ist die entscheidende Voraussetzung für Vollbeschäftigung. Jeder zweite neugeschaffene Job stammt aus dem Export - und die EU-Erweiterung ist hier der Motor. Genau deshalb verstehe ich nicht, dass sich SPÖ, Arbeiterkammer und FPÖ zu einem Anti-EU-Wettlauf zusammenschließen und ihre populistischen Keulen schwingen.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ist in einem hartnäckigen politischen Tief gefangen. Wird sie zu einer Belastung für den Wahlkampf?

Sicher nicht, und ihre Bilanz beweist das. Die Fachhochschul-Initiative ist ein sensationeller Erfolg, die Unireform hat einen Innovationsschub an den Hochschulen ausgelöst und auch die Elite-Uni wird ein Erfolg werden. Dass Gehrer von einigen Seiten so heftig attackiert wird, liegt darin, dass sie sich gegen manche rot-grüne Ideale in der Bildungspolitik stellt. Wir wollen nun einmal weder das differenzierte Schulsystem aushöhlen, noch Aufsteigen mit mehreren Nichtgenügend ermöglichen oder gar die Noten abschaffen. Als ich Schüler war und einen Fünfer bekam, hatte ich ein Problem - jetzt hat der Lehrer ein Problem. In diese Richtung darf unser Schulsystem aber nicht gehen, denn Schule hat immer auch etwas mit Leistung zu tun.

Können Sie sich Grünen-Chef Van der Bellen eigentlich als Minister vorstellen?

Ich kann mir vieles vorstellen. Die Grundvoraussetzung ist aber, dass Van der Bellen in dieser Situation mit seiner Partei zu Rande kommt. Ich finde es lustig, dass die Grünen ein "Wir wollen regieren"-Transparent vor sich her tragen, aber nicht sagen, wer denn in ihrer Partei wirklich regieren will. Van der Bellen und Eva Glawischnig sehen nicht, dass hinter ihnen niemand steht. Die Wahrheit ist: Die Linke bei den Grünen will gar nicht regieren, und deshalb hat die Führungsspitze Pragmatismus zum Programm erhoben.

Ist für einen Wahlerfolg jedes Mittel recht?

Nein, es gibt bestimmte Grenzen. Europa ist beispielsweise für mich nicht disponibel. Und auch wenn mit dem Thema Ausländer gewisse Probleme verbunden sind, so darf man es doch nicht emotionalisieren. Grenzen gibt es auch, was die persönliche Auseinandersetzung angeht.

Die Frage zielte eigentlich auf Jörg Haider und seinen Umgang mit dem Ortstafel-Erkenntnis ab.

Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes sind zu respektieren, auch wenn sie einem nicht passen. Und wenn Haider die politische Auseinandersetzung mit dem VfGH suchen sollte, wird ihm das schaden.

Wie gefällt Ihnen eigentlich die Amtsführung von Bundespräsident Heinz Fischer?

Ich halte sie für sehr ordentlich. Heinz Fischer hat offensichtlich nun die Position gefunden, die ihm auf den Leib geschneidert ist: zu repräsentieren und nicht, politisch Position zu beziehen. Nur bei seiner Wortmeldung zum Karikaturen-Streit, wo er unbedingt die Jesus-Karikaturen verteidigen wollte, war er nicht gut beraten. Ich glaube aber, das hat er auch selbst erkannt.