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Professor Hund streichelt die Seele

Von Eva Stanzl

Wissen
Mensch-Tier-Beziehung: Die Vortragsreihe an der Uni Wien wird im Herbst fortgesetzt.
© © © Christine Giles/Design Pics/Corbis

Hunde im Klassenzimmer verbessern die Aufmerksamkeit der Schüler.


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Wien. Die schnurrende Katze zu streicheln mag beruhigen, mit dem Hund laufen zu gehen die nötige körperliche Bewegung verschaffen und mit ihm Ball zu spielen sorglosen Spaß machen. Doch warum gehen wir Menschen die Verpflichtung ein, uns Haustiere zu halten? Immerhin machen die vierbeinigen Kameraden viel Arbeit und einiges an Schmutz, fordern tägliche Aufmerksamkeit und kosten Geld. Und dennoch tun sie uns offenbar so gut, dass wir etwaige Mühen in Kauf nehmen.

"Der Mensch ist biophil, das heißt, er will das Leben in all seinen Dimensionen erhalten und entfalten. Dazu gehört auch die Beziehung zu Natur und Tier, die auf Jäger und Sammler zurückgeht", erklärt Kurt Kotrschal vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien. Was mehr ist: "Ohne Haustiere aufzuwachsen, ist für die Entwicklung von Kindern alles andere als ideal", sagt der Wissenschafter des Jahres 2011.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein eigener Hund die Impulskontrolle, die Konzentrationsfähigkeit und die kognitiven Leistungen von Kindern verbessert. Ebenso hilft der Vierbeiner dabei, Einfühlungsvermögen und Führungsqualitäten zu entwickeln. So haben Forscher erhoben, dass Unternehmenschefs, die besonders beliebt sind, zumeist mit Hunden aufgewachsen waren. "Natürlich bietet ein Elternhaus, das das Aufziehen von Hunden ermöglicht, andere Voraussetzungen als eines, in dem die Zeit dazu fehlt", räumt Kotrschal ein. Ist ein Hund aber einmal in der Familie, verbessert er schlagartig die Kommunikation.

Zahl der Fehlstunden sinkt

Kotrschal und seine Kollegen konnten zudem nachweisen, dass ein Hund wie ein Katalysator in Schulklassen wirkt. In einer mehrheitlich von Migranten-Kindern besuchten Volksschule in Wien filmten sie mit elterlicher Einwilligung eine Klasse von 24 Schülern für je zwei Wochenstunden für eine Dauer von neun Monaten. Das Durchschnittsalter der 14 Buben und zehn Mädchen war 6,7 Jahre. Für weitere neun Monate filmten die Forscher dieselben Kinder unter Anwesenheit eines Hundes. Die Aufmerksamkeit der Schüler stieg nicht nur für den Lehrer, sondern auch füreinander. "Obwohl jedes Kind unterschiedlich interessiert auf den Hund reagierte, wurde die Gruppe homogener. Extremes Benehmen, wie Hyperaktivität oder Aggression, nahm ab, zurückgezogenere Kinder kommunizierten mehr. Der anwesende Hund erhöhte zudem die Schulzufriedenheit und senkte die Zahl der Fehlstunden", so Kotrschal.

Besonderes Letzteres dürfte das Unterrichtsministerium in Wien motiviert haben, eine Empfehlung für Schulhunde auszusprechen. Immerhin erwägt die Bundesregierung Geldstrafen für Fehlstunden. Als Alternative legt sie nun Lehrern, die einen Hund haben, der gerne mit Kindern zusammen ist, nahe, diesen ins Klassenzimmer mitzubringen.

Wissenschafter um Andrea Beetz, Verhaltensforscherin an der Universität Rostock und an der Uni Wien, gehen noch einen Schritt weiter und untersuchen das gesundheitsfördernde Potenzial der Mensch-Tier-Beziehung. Ihnen zufolge verringern Tiere Stress. "Auf einer basalen Ebene löst die Anwesenheit von ruhenden, entspannten Tieren beim Menschen einen angstfreien, entspannten Zustand und ein Gefühl der Sicherheit aus. Grund dafür sind die verlangsamten Regulationen des vegetativen Nervensystems", berichten die Forscher in "Frontiers in Psychology".

Der Effekt begünstige die Bildung sicherer Bindungen von Mensch zu Hund, denn die Bereitstellung von Sicherheit und die Reduktion von Stress sind die zentralen Funktionen von Bindung. Schutz vor Stress wird durch emotionale Unterstützung erzielt - doch nur Menschen mit positiven Bindungserfahrungen suchen in Stresssituationen nach sozialer Unterstützung und minimieren so die Belastung für ihre Gesundheit.

Beetz unterscheidet zwischen "unsicher gebundenen" und "sicher gebundenen Kindern", abhängig vom Fürsorgeverhalten der Mutter. Wenn eine Mutter ihrem Kind Gefühlskälte oder Ignoranz entgegenbringt, zieht es sich zurück und nutzt sie nicht als Sicherheitshafen. Sicher gebundene Kinder hingegen müssen sich nicht sorgen, ob ihre Mutter verfügbar ist, sie fühlen sich sicher bei ihrer Entdeckung der Welt.

Stress wird reduziert

Da Bindungserfahrungen von Mensch zu Mensch übertragen werden, fällt es unsicher gebundenen Menschen schwer, positive Erfahrungen zu sammeln und sich somit vor Stress zu schützen. Das Beziehungsmuster überträgt sich allerdings weder auf Tiere noch auf die Mensch-Tier-Beziehung. Die Forscher testeten jeweils 20 unsicher gebundene und 20 sicher gebundene Buben im Alter von 8 bis 12 Jahren. Sie wurden alle einer Stresssituation in Form eines schulischen Leistungstest ausgesetzt. Während der ganzen Zeit stand einer Hälfte ein Hund und der anderen Hälfte ein Student als soziale und emotionale Unterstützung zur Seite. Als Indikator für den ausgelösten Stress diente das Stresshormon Cortisol im Speichel.

Die Kinder in Anwesenheit des Hundes zeigten im Vergleich zur Gruppe mit Student keinen Anstieg der Cortisolwerte während der Testsituation. Zudem waren sie aktiver, was zeigt dass der stressreduzierende Effekt auch auf der Kind-Hund-Interaktion beruht. Weiters konnte Beetz auch zeigen, dass Hunde Herzschlag und Blutdruck verbessern, sowie Angstgefühle reduzieren.

http://mensch-tier-beziehung.univie.ac.at/vortragsserie/