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Professor, Panzerkardinal, Pontifex

Von Heiner Boberski

Analysen

Benedikt XVI. - ein Papst des messerscharfen Intellekts. | Deutlich größere Vorliebe für Tradition als für Reformen. | Wien. In Rom wird am Sonntag eine Festmesse daran erinnern: Papst Benedikt XVI. vollendet sein 80. Lebens- und sein zweites Pontifikatsjahr. Zugleich liegt sein neues Buch vor.


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Den Wunsch, Kardinal zu werden, soll Joseph Ratzinger schon in einem Alter, in dem andere als Berufsziel Bundeskanzler angaben, geäußert haben. Dass er mit 78 Jahren sogar zum Stellvertreter Christi aufsteigen sollte, verdankte er sicher nicht seiner nationalen Herkunft, sondern vor allem dem Umstand, dass viele Kardinäle beim Konklave 2005 in ihm einen Garanten für eine Kirche ohne Experimente, aber mit verlässlichen Grundpositionen sahen. Diese Erwartungen hat Benedikt XVI. erfüllt und doch sein Amt bisher mit anderen Hauptakzenten ausgeübt als sein Vorgänger - nicht mit Rekorden an Seligsprechungen und Reisekilometern, sondern mit der Pflege geistiger Auseinandersetzungen.

Joseph Ratzingers Lebensweg nach der von seiner Familie zutiefst abgelehnten NS-Ära war durch sein Berufsziel vorgezeichnet: Priestertum und eine intensive Beschäftigung mit Theologie, die ihn schon in jungen Jahren zu Professuren an angesehenen deutschen Universitäten und zum Zweiten Vatikanischen Konzil nach Rom führte. Galt der damalige Berater des Kölner Kardinals Joseph Frings als Befürworter eines "Aggiornamento", einer "Verheutigung" der Kirche, so änderte sich das mit dem Jahr 1968 schlagartig. Schockiert vom Aufruhr der Studenten, die auch seine Vorlesungen in Tübingen störten, zog er sich in das relativ ruhige Regensburg zurück und entdeckte mehr und mehr die Liebe zu alten Traditionen. Dort ereilte ihn der Ruf von Papst Paul VI., Erzbischof von München und Kardinal zu werden.

Johannes Paul II., der polnische Papst, befand, aus seiner Sicht völlig zu Recht, der renommierte Theologe mit der sanften, aber eindringlichen Stimme und dem für einen Bayern sehr feinsinnigen Humor, gehöre an die Spitze der Glaubenskongregation. Dort versah Joseph Ratzinger seinen Dienst als Wächter über die reine Lehre so genau und streng, dass ihm die Bezeichnung "Panzerkardinal" zuteil wurde.

Als Papst Benedikt XVI. kommt ihm ein neuer Titel zu: Pontifex maximus (höchster Brückenbauer). Doch die Brücken, die er zweifellos wirklich bauen will, möchte er von festen Ufern ausgehen lassen. Darum spitzt er die Dinge gerne messerscharf zu, etwa 2006 in Regensburg, als er mit einem mittelalterlichen Zitat die islamische Welt reizte. Keine drei Monate später sah man ihn in Istanbul in der Blauen Moschee beten und den Dialog mit Muslimen pflegen.

Solche Brückenschläge bei gleichzeitiger Klärung, auf welchem Fundament man steht, sind auch gegenüber Vertretern der christlichen Konfessionen - inklusive der katholischen Theologen - angesagt. Seinem Nachfolger als Glaubenshüter, Kardinal William Levada, lässt Benedikt XVI. wenig Spielraum - außer Ion Sobrino, einem der im Vatikan stets suspekten Befreiungstheologen, gab es im neuen Pontifikat keinen bekannten Fall eines gemaßregelten Theologen. Dass der Papst lieber Brücken Richtung Tradition (Stichwort: wieder mehr Latein in die Liturgie) als Richtung Reformer schlägt, ist natürlich unverkennbar.

Klar ist diesem Papst, dass die Kirche mit Moralismus, der ihr auch gar nicht gut anstünde (Stichwort: sexueller Missbrauch), keine Brücke zu den Menschen schlagen vermag. Darum konzentriert er sich auf die Gottesfrage, auf die es, davon wirkt er in Rede und Schrift überzeugt, eine klare Antwort gibt: Gott ist die Liebe und in Jesus Christus Mensch geworden.

Lebensstationen

16. April 1927: Joseph Alois Ratzinger wird in Marktl am Inn (Bayern) als Sohn eines Gendarmen geboren. 1946: Matura am Gymnasium Traunstein, dann Theologie- und Philosophiestudium in Freising und München.

29. Juni 1951: Joseph empfängt mit seinem Bruder Georg die Priesterweihe.

1953: Promotion zum Doktor der Theologie mit einer Arbeit zum Thema "Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche". Vier Jahre später Habilitation im Fach Fundamentaltheologie.

1958 Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Freising, später Berufungen nach Bonn (1959), Münster (1963), Tübingen (1966) und Regensburg (1969).

1962-1965: Ratzinger begleitet den Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings als "Sachverständiger" zum Zweiten Vatikanischen Konzil; er wird dort zum offiziellen Konzilstheologen berufen.

1977: Papst Paul VI. ernennt Ratzinger am 25. März zum Erzbischof von München und Freising und erhebt ihn am 27. Juni zum Kardinal.

25. November 1981: Johannes Paul II. holt Ratzinger als Präfekten der Glaubenskongregation nach Rom.

1986: Ratzinger wird Leiter der Päpstlichen Kommission für den Katechismus der Katholischen Kirche.

1993: Ratzinger wird Kardinalbischof und gehört damit zu den sechs ranghöchsten Kardinälen.

2002: Er wird Dekan des Kardinalskollegiums.

April 2005: Am 8. leitet Ratzinger die Begräbnisfeierlichkeiten für Papst Johannes Paul II., am 19. wird er zum Papst gewählt und nennt sich Benedikt XVI., am 24. erfolgt die feierliche Amtseinführung.

2005: Im August reist der neue Papst zum Weltjugendtag nach Köln, im Dezember veröffentlicht er seine erste Enzyklika "Deus caritas est".

2006: Reisen nach Polen, Bayern und in die Türkei.

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