Alle Parteien leiden unter Auszehrung, für die ÖVP sind die Folgen aber massiv.
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Wien. Familien, Sicherheit, Wirtschaft, Europa, Bildung, ländlicher Raum: Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte die Volkspartei ruhigen Gewissens den Führungsanspruch in all diesen Themenfeldern für sich beanspruchen. Mittlerweile ist die Volkspartei nicht nur in den Umfragen auf ihren harten Kern reduziert, sondern auch in all jenen Bereichen, in denen die Wähler der Partei die Führungskompetenz zugestehen.
Zwar stimmt, dass - mit Ausnahme der "Single-issue"-Partei FPÖ - die politischen Profile sämtlicher Parteien zunehmend verwaschen; für die Volkspartei ist diese generelle Entwicklung allerdings nur ein schwacher Trost, ist die ÖVP doch eine Partei ganz eigener Art, die unter ihrem Dach eine Vielzahl eigentlich widerstrebender Interessen - von Selbständigen, Arbeitnehmern bis hin zu Beamten und Bauern - zu vereinen versucht. Wenn es hart auf hart geht, kann sich die SPÖ immer noch auf das Thema soziale Gerechtigkeit stürzen, die FPÖ hat die Ausländer, die Grünen haben den Umweltschutz, allein die ÖVP verfügt über kein solch zentrales Thema.
Neue Partei als Worst Case
Stattdessen weist die Demoskopie der Volkspartei nur mehr in drei Bereichen politische Lösungskompetenz zu, nämlich bei Wirtschaft, Europa sowie Law & Order. Und von diesen drei verbliebenen sei die Wirtschaft noch das stärkste Asset im Themenkatalog der Volkspartei.
Und auch hier werfen neue Konkurrenten begehrliche Blicke auf dieses angestammte ÖVP-Revier. Sollte es tatsächlich, wie in den Gängen der Republik in den vergangenen Monaten immer wieder geraunt wurde, zu einer Neugründung einer politischen Partei mit wirtschaftsliberalem Anstrich kommen, wäre dies wohl ein Worst-Case-Szenario für die ÖVP. Frank Stronach und Teilen der Industrie werden immer wieder entsprechende Absichten unterstellt. Und bekanntlich versucht auch das BZÖ, an diesem stimmentechnisch attraktiven Kuchen mitzunaschen.
ÖVP-Obmann Michael Spindelegger ist sich der Gefahr der programmatischen Auszehrung seiner Partei offensichtlich voll bewusst. Seit Herbst versucht die Partei, über sogenannte Themen-Konferenzen ihr Profil wieder aufzupolieren. Den Auftakt machten Sicherheit sowie Familie und Integration, am kommenden Dienstag geht mit Wirtschaft die dritte Auflage über die Bühne. Mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Klubobmann Karlheinz Kopf; ob auch Spindelegger selbst teilnehmen wird, war am Freitag noch offen.
Weisenrat soll helfen
Dabei ist Wirtschaftskompetenz, wenn man so will, die Achillesferse des ÖVP-Obmanns. Spindelegger stammt aus dem niederösterreichischen Arbeitnehmerbund und profilierte sich in seinen Anfangsjahren als Außen- und Europapolitiker. Nur mit Wirtschaft hatte er bisher noch nie etwas am Hut.
Das könnte sich spätestens 2013 als gravierender Wettbewerbsnachteil erweisen, wenn Spindelegger als ÖVP-Spitzenkandidat ins Rennen geht. Wirtschaftskompetenz wird da dringend gefragt sein, wenn die Partei nicht zwischen SPÖ und FPÖ zerrieben werden will. Dessen ist sich auch der ÖVP-Obmann bewusst, soll doch im Mai ein mit prominenten Wirtschaftskapitänen bestückter Weisenrat Spindelegger mit einschlägiger Expertise und Glaubwürdigkeit versehen.
An einer anderen Front will sich die ÖVP bereits als Reformmotor inszenieren. Nachdem jüngst JVP-Obmann Sebastian Kurz Vorschlägen für mehr direkte Demokratie präsentierte, will diese nun das Innenministerium in einen Gesetzesvorschlag gießen. Dies soll parallel zu den Gesprächen auf politischer Ebene geschehen. Das erklärten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Kurz bei einem Hintergrundgespräch. Allerdings: Ein Zeithorizont wurde nicht genannt.