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"Profit nur für Wall Street"

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Hohe Weizen- und Öl-Preise Folge einer "schiefgelaufenen Finanzinnovation".


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Wien. Die Preisschwankungen bei Rohstoffen - von Öl bis Getreide - werden großteils von Spekulanten verursacht: Aus dem Mund eines Hedgefonds-Managers hat so eine Aussage doppeltes Gewicht. Der US-Amerikaner Michael Masters referierte am Mittwoch in Wien über dieses Thema - just bei einem Symposium der großen Ölförderstaaten (Opec), das in der Hofburg stattfand.

Der Investmentprofi spricht sich dafür aus, den Handel mit Rohstoff-Derivaten stärker zu regulieren, erklärte er in der Arbeiterkammer Wien einer kleinen Runde von Journalisten. Seit rund zehn Jahren hätten die Finanzmärkte eine höchst ungesunde Entwicklung genommen, die dazu führt, dass die Preise von Rohstoffen extrem schwanken und überproportional in die Höhe getrieben werden. Das lässt die Preise für Agrargüter wie Weizen oder Treibstoffe weltweit steigen - was nach der rasanten Preisrally 2008 in einigen Weltregionen sogar zu Hungerrevolten geführt hatte.

Masters erklärt das mit einer "Innovation, die schiefgelaufen ist." Ab 2004 habe die Wall Street begonnen, Rohstoffe als Anlageklasse für große Investoren wie Pensionsfonds zu bewerben - vor allem über Derivate, also handelbare Papiere, die sich an der Wertentwicklung von Rohstoff-Indizes orientieren. Damit entscheide nicht mehr die reale Nachfrage und das Angebot von Öl oder Weizen über den Preis, sondern das verfügbare Geld der Investoren: "Viele Anleger wissen nicht einmal, welche 25 Rohstoffe in den Indizes gebündelt sind, in die sie investieren." 1996 hätten noch 88 Prozent der Weizen-Investitionen zur Absicherung realer Geschäfte gedient. 2010 waren es nur noch 40 Prozent - 60 Prozent entfallen auf die reine Spekulation.

Es floss nicht nur mit einem Schlag enorm viel Geld in den Rohstoffmarkt, was die Preise explodieren ließ, sondern dieser nahm selbst Merkmale des Kapitalmarktes an. Traditionell dienten Rohstoff-Investitionen nämlich zur Risikostreuung: Wenn die Kurse von Aktien oder Anleihen abstürzten, gab es noch einen Ausgleich im Portfolio.

Für die Transaktionssteuer

Das hat sich laut Masters gehörig geändert. Seit 2008 korrelieren Rohstoffindizes zu 60 Prozent mit Aktien: Gehen die einen hoch, steigen auch die anderen.

Objektiv zahlte sich eine Investition in Rohstoffderivate ebenfalls nicht aus - diese werfen keine Erträge oder Dividenden ab. Weil die Futures-Verträge laufend umgewälzt werden müssen, fallen oftmalige Gebühren für die Investmentbanken an. Diese freuen sich, der Anleger verliert: "Wer Anfang 2007 in Rohstoffindizes investiert hat, hat Geld verloren." Wer hingegen auf Unternehmen setzte, die in der Produktion oder Verarbeitung von Rohstoffen tätig sind, machte 40 Prozent Gewinn.

Masters will die Spekulation mit Rohstoffen nicht zur Gänze verbieten, sondern deckeln. "Wir hatten in den USA sechzig Jahre lang Limits, das hat sich bewährt", sagt er. Er befürwortet auch eine Finanztransaktionssteuer - damit wäre der Hochfrequenzhandel schlagartig obsolet.

Für eine Überraschung sorgte beim Opec-Kongress EU-Energiekommissar Günther Oettinger: "Ich halte 100 Dollar für einen fairen Preis", sagte er zu den zuletzt leicht rückläufigen, aber immer noch hohen Öl- und Benzinpreisen. Der Preis sei angemessen, "wenn man die Interessen der Produzenten sieht und Öl nicht unnötig billig auf den Markt werfen - Stichwort Energieeffizienz -, aber umgekehrt die Wirtschaft nicht erdrosseln will".

Zur Person:

Michael W. Masters ist Gründer und Chef von Masters Capital Management. Der Experte für Rohstoffe und Finanzreform hat in zahlreichen Hearings vor US-Behörden ausgesagt und die Non-Profit-Organisation Better Markets ins Leben gerufen - als "Anwalt der öffentlichen Interessen".