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Profitgier im Gesundheitssystem

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Wer am Patienten verdienen will, will durch Leid und Krankheit Gewinne machen. Das ist unmoralisch! Nur der gerechte Lohn darf verlangt werden - und den setzen Politiker fest.


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Am Stammtisch, in Diskussionen und in Zeitungen ist es zu erfahren: Die Pharmabranche ist nur an Profit und nicht am Wohl des Patienten interessiert. Nur um Gewinne nicht sinken zu lassen, sind sie sogar bereit, ihm zu schaden. Shareholder-Value ist wichtiger als Stakeholder-Value!

Nun, das ist möglicherweise nicht ganz unrichtig, auch wenn es in Österreich von den Fakten her nicht nachvollziehbar ist.

Die Gesundheitsausgaben für Medikamente sind nach den letzten OECD-Daten mit 13 Prozent weiterhin sehr niedrig. Also verdient die Branche offenbar nicht auf Kosten anderer Stakeholder, die ja von den verbleibenden 87 Prozent leben. Wenigstens diese (dazu gehören vor allem alle Lohn- und Einkommensbezieher) werden offenbar nicht verdrängt.

Pro Kopf und in Geld gemessen liegen wir im Durchschnitt. Das heißt, dass wir wenigstens nicht beim Patienten knausern. Allerdings kommen wir auf den Wert nur, weil die Pharmabranche auf Masse macht. Und das wiederum macht sie, weil die Stückpreise im internationalen Vergleich sehr niedrig sind. Und die sind niedrig, weil Preise hierzulande nicht vom Markt, sondern durch Behörden festgelegt werden. Ob das patientenfreundlich ist, wäre sehr fraglich - ist aber logische Folge des Systems.

Wie dem auch sei, die Pharmabranche verdient mit uns nicht wirklich gut. Objektiv betrachtet kann ungezügelte "Profitgier", wenn es sie gibt, hierzulande jedenfalls nicht umgesetzt werden. Und trotzdem haben so viele das Gefühl, es wäre so.

Vielleicht ist das ja deswegen, weil die Regulierung so streng ist, dass die Pharmabranche rasch an Grenzen stößt und diese dann legitimerweise auch auslotet. An diesen Grenzen jedoch wird das Gefühl von "unmoralischem" Verhalten geweckt. Ist eine bezahlte Beobachtungsstudie Bestechung oder Forschung? Sind Einladungen zu Kongressen Korruption oder für das System wichtig? Darf ein Pharmareferent Abos für wissenschaftliche Periodika verschenken oder ist das Anfütterung? All das liegt in Grauzonen, und mir stellt sich die Frage, ob unser Korsett nicht irgendwie "falsch" ist. Das Gefühl, dass alles was die Pharmabranche macht, nur dem Ziel dient, "unmoralisch" hohe Gewinne zu erzielen, wird aber in der Realität genau an den Grenzen gut genährt.

Und wer profitiert davon? Nun, die Pharmabranche ist der einzige Stakeholder, der offen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt und daher Gewinne machen will. Alle anderen, angefangen bei den Spitälern samt Arbeitsplätzen, politischen Einflussnahmen und wählerstimmenmaximierenden Möglichkeiten, über niedergelassene Ärzte bis hin zu Kassen, Gewerkschaften und Kammern, alle sind sie der (selbstgemachten?) Meinung, dass sie nur für das Wohl des "wichtigsten" (?) Stakeholders - des Patienten - arbeiten. Sie wollen nichts verdienen oder gar Gewinne machen. Sie wollen nur ihren gerechten Lohn, für die Fürsorge, die sie angedeihen lassen. Und was gerecht ist, das sagt uns am besten ein Kassenobmann, ein Kammerpräsident, ein Landeshauptmann oder ein Minister.

Zunehmend jedoch werden diese Aussagen hinterfragt. Und was ist dann leichter, als auf das gute alte Modell des äußeren Feindes zurückzugreifen. Und da nur die Pharmabranche ihre Gewinnabsicht ehrlich zur Schau trägt, machen jene, die sich anmaßen, Moral von Unmoral zu unterscheiden, daraus ein Kainsmal - und können so ihre eigene Position "moralisch" absichern.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheits ökonom und Publizist.