"Prognose für 2005 und 2006: Neuerliche Wachstumsverlangsamung." Das prophezeite das Wifo im Juni 2005. Bekanntermaßen schlug 2006 allerdings die Hochkonjunktur ordentlich zu - mit 3,3 Prozent Wachstum 2006 und 3,4 Prozent 2007. Und schon 2005 - in dem Jahr, in dem man zur Halbzeit 1,7 Prozent erwartet hatte - waren es immerhin 2 Prozent.
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Dass Prognosen so schwierig sind, weil sie die Zukunft betreffen, ist ein häufig zitierter Kalauer unter Wirtschaftsforschern.
Eine kürzlich erschienene Untersuchung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung hat ergeben, dass die Wirtschaftsprognosen für Deutschland von 1995 bis 2005 das Wachstum im Schnitt um ganze 1,16 Prozentpunkte zu hoch erwartet haben. Geprügelt von Vorwürfen und der Einsicht, dass man lange Zeit hartnäckig den deutschen Abschwung ignoriert hatte, schlägt seit 2006 das Pendel in die andere Richtung aus.
Für 2006 hat beispielsweise der deutsche Sachverständigenrat gerade einmal einen Zuwachs von 1,0 Prozent prognostiziert. In Wahrheit wuchs die deutsche Wirtschaft um 2,7 Prozent. "Wir haben die Stärke des Aufschwungs unterschätzt", hieß es im Nachhinein selbstkritisch.
Auch wenn Wirtschaftsforscher ihre Prognosen weder im Kaffeesud noch in der Glaskugel finden, so errechnen sie ihre Zukunftsvorhersagen trotzdem in einem geschlossenen System.
Je nach Qualität der Volkswirte kommt ein Ergebnis heraus, dass unter Umständen der Überprüfung durch das Eintreten der Gegenwart stand halten könnte - oder zumindest eine solide Ausgangsbasis böte. Wenn sonst nichts passiert. Allerdings: Oft passiert sonst etwas.
Dass die Anschläge des 11. September nicht vorhergesehen worden sind, kann man vielleicht den amerikanischen Geheimdiensten vorwerfen, allerdings nicht den Ökonomen. Auswirkungen auf die Wirtschaft hatte der Anschlag aber allemal.
Auch die aktuelle Bankenkrise ist durch die neue globale Vernetzung der Weltwirtschaft außergewöhnlich und in ihren Effekten überhaupt nicht einschätzbar.
"Wir tappen in der völligen Unsicherheit", gibt Wifo-Forscher Markus Marterbauer zu. "Möglicherweise kommt 2009 eine Stabilisierung der Weltwirtschaft, aber das ist eine bloße Annahme. Ich glaube, es gibt momentan niemanden, der die globalen Entwicklungen wirklich abschätzen könnte." Siehe Seite 25