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Programm für Ausgestiegene

Von Stefanie Holzer

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Die Barbara-Karlich-Show am Montag hatte sich den Titel "Mein Liebling! Hör endlich auf zu keifen" gegeben. Mitten am Nachmittag fanden sich Leutchen ein, die der beängstigend lebendigen Gastgeberin erläuterten, auf welche Weise sich der Partner und der Sohn daneben benehmen. Früher hätte man versucht, diese Übelstände zu verheimlichen. Heutzutage gehen wir damit renommieren. Daraus erklärt sich, weshalb die Verlagshäuser wieder vermehrt Benimmbücher auflegen.

Auffällig ist, dass es am Nachmittag kaum Programm für Kinder gibt. Zu meiner Zeit gab es den "Kasperl", "Daktari", "Skippy" und "Flipper". Die heutigen Kinder sitzen wohl alle vor dem Computer, während die TV-Sender Unterhaltung für eine Sorte Mensch produzieren, über die man nur Vermutungen anstellen kann. Sie haben keine Arbeit zu verrichten, die sich nicht verschieben ließe; sie sind müde, weil ihr Leben so anstrengend gleichförmig ist; sie haben kein merkbares Interesse an etwas Speziellem. Sie dröhnen sich sozialverträglich mit dem Lebensschrott anderer zu. Das ist Fernsehen für Ausgestiegene. Die Aussteiger sind längst anderswo.

3sat geht davon aus, dass der unterhaltungsbedürftige TV-Konsument um 16.30 Uhr wenigstens Bügelarbeit zu erledigen hat: Pinkas Braun las die letzte Folge von Friedrich Dürrenmatts "Der Richter und sein Henker". Dieser Dürrenmatt klang zwar ein bisschen staubig, aber wenn ich nächstens meine Sockenlade aufräume, schaue ich nach, was die 3sat-Lesezeit zu bieten hat.