Verfassungskrise und Tauziehen um Finanzen prägend. | Verhandlungsstart für die Türkei. | Brüssel. Wenigstens das Budget ist beschlossen. Erst gegen Jahresende konnte die Europäische Union auf einen dringend gebrauchten Erfolg verweisen: In der Nacht zum 17. Dezember einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf einen Rahmenhaushalt für die Jahre 2007 bis 2013 in der Höhe von gut 862 Milliarden Euro.
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Das dem vorausgegangene monatelange Tauziehen ums Geld war nicht der einzige Grund, von einer Krise der EU zu sprechen. Im Mai lehnte ein Großteil der französischen Bevölkerung die geplante EU-Verfassung ab, im Juni sagten auch die Niederlande "Nee" zu dem Vertrag. Der Ratifizierungsprozess liegt nun auf Eis, auch wenn 14 EU-Staaten - wie Österreich - das Dokument schon angenommen haben.
Mut- und phantasielos präsentierte sich die Europäische Union so manches Mal. Und den Vorwurf, nationale statt europäischer Interessen zu vertreten, mussten sich die meisten EU-Staats- und Regierungschefs gefallen lassen.
Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac stritt um die hohen Agrarförderungen, von denen sein Land besonders profitiert. Der britische Premier Tony Blair wollte lange nicht vom EU-Beitragsrabatt für Großbritannien lassen. Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik stimmte dem - in ihrem Land großteils abgelehnten - Start von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erst zu, nachdem sie eine stärkere Betonung der EU-Aufnahmefähigkeit erreicht hatte.
Streit rückt Konsens in den Hintergrund
In den Hintergrund rückte der Konsens. So einigten sich die Agrarminister auf eine radikale Neuordnung der Zuckermarktordnung und die Verkehrsminister auf einheitliche Regeln für die Lkw-Maut. In Kraft treten wird auch eine neue Chemikalienverordnung für rund 30.000 Stoffe. Ebenso wurden Schritte in Richtung der nächsten Erweiterung gesetzt.
Am 3. Oktober starteten Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Bis dahin musste sich auch Kroatien gedulden, nachdem der Gesprächsbeginn im März wegen mangelnder Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verschoben wurde. Mazedonien erhielt den EU-Kandidatenstatus, mit Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina eröffnete die Union Verhandlungen über Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen.
Als Erfolge hat das die EU-Bevölkerung aber kaum gewertet. Selten lagen dabei - wirtschaftliche - Tatsachen und Empfindungen weiter auseinander. In Österreich, das mehr als andere Länder von der Osterweiterung der Union profitiert, ist die Ablehnung gegenüber einer Vergrößerung der EU am größten. Und die Zustimmung zur Union generell ist am niedrigsten. Österreich platzierte sich heuer damit sogar hinter dem traditionell EU-skeptischen Großbritannien.