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Projekt mit großen Chancen

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv

Die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten der gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) stand den im Zentrum einer Expertenkonferenz Ende vergangener Woche in Reichenau an der Rax. Die größten Gefahren, so der Tenor, drohen dieser im Falle eines EU-Beitritts der Türkei und eines Scheiterns der Verfassung.


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Das europäische Integrationsprojekt hat sich noch selten an vorgegebene Fahrpläne der Politik gehalten, warum also sollte das ausgerechnet bei der Arbeit an einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik anders sein? Im Falle der ESVP sticht vor allem die Kluft zwischen selbst gesteckten Ansprüchen und ernüchternder Realität ins kritische Auge - zu weit haben sich politische Lippenbekenntnisse und tatsächliches Handeln auf europäischer, vor allem aber nationaler Ebene auseinander entwickelt. Dementsprechend war ein gewisser pessimistischer Grundton bei der auf Einladung des Österreichischen Büros für Sicherheitspolitik durchgeführten Expertenkonferenz unüberhörbar.

Der Grund: "Es ist nicht so einfach, die Entwicklung der ESVP weiterzudenken, wenn man nicht weiß, ob die Verfassung kommt oder nicht", verwies Gastgeber Erich Reiter auf den völlig offenen Ausgang mancher nationaler Referenden. Streng juristisch genommen, würde bereits ein einziges Nein genügen, das Verfassungsprojekt zu Fall zu bringen.

Da die EU aber weniger ein formaljuristisches als vielmehr ein politisches Projekt darstellt, hängt das Schicksal der Verfassung eher davon ab, welches Land denn Nein sagt. Ist es Frankreich, würde dies das Aus für das gesamte Projekt bedeuten, zeigte sich Reinhardt Rummel von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik überzeugt. Sagen die Briten No, hätte dies die verstärkte Konzentration auf die NATO zur Folge. Die Ablehnung kleinerer Länder hätte demgegenüber lediglich verzögernde Wirkung.

Vor allem die integrationspolitischen Chancen der ESVP wurden immer wieder betont: "In der Sicherheitspolitik hat Europa die Chance, über eine gemeinsame Bedrohungswahrnehmung zu einer wirklichen Gemeinschaft zu werden", zeigte sich Reiter überzeugt.

Ein Beitritt der Türkei würde diese Chance jedoch von Grund auf zunichte machen, zeigte sich eine Mehrheit der Teilnehmer überzeugt. Eine Gegenposition vertrat hier lediglich Franco Algieri von der Bertelsmann Stiftung: Er betonte den dynamischen Charakter der Union, weshalb es unmöglich sei, heute bereits sagen zu können, welcher EU die Türkei in zehn oder 15 Jahren beitreten könnte.