Fotograf erkennt auf Streifzügen Ghettoisierung des Bezirks.
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Wien. Zwei Frauen mit Kopftüchern, ein türkischer Supermarkt, zwei junge Männer auf einer Parkbank - was ist typisch für den 5. Bezirk?
Diese Frage stellte sich Fotograf Gero Fischer, als er begann, für die Ausstellung "Zwischenräume" Motive zu suchen. Er wollte die Vielfalt abbilden, die einfach ins Auge springt. Erst einmal ging er spazieren. So lernte er das ihm anfangs fremde Margareten näher kennen, sah, wo etwas los war. Dann zog er mit der Kamera los und fotografierte gewöhnliche Straßenszenen: Frauen mit Kinderwägen, ein altes Ehepaar an der Bushaltestelle, Hundebesitzer, Obdachlose und Radfahrer. Dabei ging er systematisch vor, teilte den Bezirk in Gebiete ein, in denen er nach Szenen suchte, die etwas über den Bezirk aussagen. Ein Jahr lang durchstreifte er so immer wieder den Bezirk.
Die Fotos sind nun Teil der Ausstellung "Zwischenräume - Vielfalt leben in Margareten" im Forschungszentrum für historische Minderheiten. Grundlage der Ausstellung bilden Interviews, die Schüler mit neun Bewohnern des Bezirks führten. Auf Schautafeln stehen Zitate aus den Gesprächen und die Fotos von Gero Fischer nebeneinander. Kuratorin Regina Wonisch verpasste den Interviews den Feinschliff und bündelte sie zu den Themen Integration, Sprache, Heimat und Kontakte. Ihr war es wichtig, unterschiedliche Ansichten der Befragten nebeneinander stehen zu lassen. So macht eine Interviewte darauf aufmerksam, wie wichtig es sei, den Kindern sofort Deutsch beizubringen, während eine andere die Meinung vertritt, die Kinder sollten erst die Muttersprache lernen.
Als Ergänzung zu den Interviews wollte Wonisch keine typischen Migrationsfotos, wie ankommende Menschen am Bahnhof, oder einen Kebabstand. Zu der subjektiven Perspektive, die die Jugendlichen in die Interviews gebracht hatten, wünschte sie sich die subjektive Perspektive eines Fotografen.
Auf seinen Streifzügen durch den Bezirk bemerkte Fischer eine Ghettoisierung des Bezirks. Zwar gebe es eine Vielfalt aus bürgerlichem, migrantischem und proletarischem Leben in Margareten. Ein Miteinander finde allerdings nicht statt. So würden die Parks und Plätze hauptsächlich von Migranten genutzt. "Die Loftbewohner haben es nicht notwendig, in Parks zu sitzen. Die fahren woanders hin", meint Fischer. Eine Begegnung zwischen den verschiedenen Gruppen habe er nur im Dienstleistungsbereich bemerkt - wenn der Bäcker beispielsweise ein Türke ist. Dies sei allerdings ein notwendiges und kein freiwilliges Miteinander.
Ersten Zeichen der Gentrifizierung
Ursprünglich wollte Fischer Motive abbilden, die für den fünften Bezirk charakteristisch sind - doch dann bemerkte er, dass es solche Merkmale, die Margareten von anderen Bezirken unterscheiden, kaum gibt. Multikulturalität würde es in anderen Bezirken auch geben. Das Besondere am fünften Bezirk sei seiner Meinung nach vielleicht, dass sich diese Vielfalt in Margareten auf sehr kleinem Raum abspielen würde. Darüber hinaus sollen seine Fotos einen Kontrast zu den historischen Bildern in der Ausstellung darstellen.
Da sich das Zentrum für historische Minderheiten mit der Geschichte der tschechischen und slowakischen Minderheit beschäftigt, widmet sich ein Teil der Ausstellung diesen Bevölkerungsgruppen. Wonisch möchte damit zeigen, dass die tschechische Zuwanderung um 1900 mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte wie jetzt die grenzüberschreitende Zuwanderung. Auch damals sei die Zuwanderung massenhaft gewesen. Die Migranten hätten eine andere Sprache gesprochen und seien aus der Unterschicht gekommen. Außerdem habe es sich um Arbeitsmigranten gehandelt, die in Folge der Industrialisierung vom Land in das boomende Wien zogen.
Auch damals hätten sich die Zuwanderer in den billigeren Außenbezirken wie Margareten angesiedelt, erzählt Wonisch. Der fünfte Bezirk sei auch heute noch ein Zuwandererbezirk - obwohl sich hier die ersten Zeichen der Gentrifizierung zeigen würden. Rund um den Bacherplatz und auf der Margaretenstraße Richtung Wieden siedeln sich hippe Modegeschäfte an. Auch die Kreativbranche komme Wonisch zufolge vermehrt nach Margareten. In der Reinprechtsdorfer Straße ist davon allerdings noch nichts zu bemerken. Wettbüros, Cafés und kleine Lebensmittelgeschäfte reihen sich dort aneinander. Eben diese kleinen Geschäfte, in denen man die Einflüsse verschiedener Nationen spürt, würden die Lebendigkeit des Bezirks ausmachen, so Wonisch.
Mit Farbe nicht vom Wesentlichen ablenken
Diese Lebendigkeit ist auch auf den Fotos von Gero Fischer zu sehen. Die Bilder sind schwarz-weiß. Dadurch würden sie mehr Raum für Interpretation lassen, meint Fischer. Die Motive würden durch die Graustufen stärker fokussiert. Farbe könne den Betrachter vom Wesentlichen in den Bildern ablenken. In den Interviewzitaten gibt es kein Schwarz-Weiß-Denken. Eine eindeutige Aussage zu bringen, sei nicht das Ziel, so Wonisch. "Ich wollte nichts vorgeben. Die Besucher sollen sich aus diesen Interviewpassagen und diesen Bildern selbst ein Bild machen."
Die Ausstellung ist noch bis 31.1.2014 im Forschungszentrum für historische Minderheiten in der Kohlgasse 27-29 zu sehen.