Bund müsste eine Milliarde Euro zusätzlich beisteuern. | Hauptverband: "Das Konzept hat Hand und Fuß." | Wien. Das Kassen-Konsolidierungspaket, auf das sich Hauptverband und Ärztekammer geeinigt haben, droht zu scheitern. Denn es erfüllt laut Finanzministerium den Auftrag der Regierung nur teilweise. Finanzminister Josef Pröll verlangt daher Nachbesserungen und einen detaillierten Nachweis der tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der Maßnahmen.
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Bereits im September 2008 hatte ÖVP-Abgeordneter Fritz Neugebauer das Sozialpartnerpaket zur Kassensanierung abgewehrt. Damals waren auch die Ärzte erbitterte Gegner gewesen. Diesmal aber hat Hauptverbands-Chef Hans Jörg Schelling (ÖVP) von Anfang an die Ärztekammer mit ins Boot geholt und mit ihr gemeinsam ein Konsolidierungskonzept ausgearbeitet, das vergangenen Freitag Gesundheitsminister Alois Stöger übergeben wurde. Dieser hatte es für gut befunden und der Regierung zur Annahme empfohlen.
Von 2010 bis 2013 sollen laut Konzept die Kosten um insgesamt 2,5 Milliarden Euro gedämpft werden. 2013 sollen die Krankenkassen gemeinsam ausgeglichen bilanzieren - anstatt ein Defizit von 836 Millionen Euro einzufahren.
Berechnung des Finanzministeriums
Allerdings liest das Finanzministerium aus dem Konzept, das manche als eine Einigung von Kassen und Ärzten zu Lasten der Pharmaindustrie und des Bundesbugets sehen, Mehrausgaben für den Bund von einer Milliarde Euro heraus.
Derzeit ist eine Dotierung des Kassenstrukturfonds per 1. Jänner 2010 im Ausmaß von 100 Millionen Euro vorgesehen. Das Sanierungskonzept des Hauptverbands (HV) geht davon aus, dass auch in den Jahren 2011, 2012 und 2013 je 100 Millionen Budgetmittel für den Kassenstrukturfonds zur Verfügung gestellt werden - ergibt 300 Millionen zusätzlich.
Außerdem geht der Hauptverband von einer Vollabdeckung des Einnahmenausfalls aus der Rezeptgebührenobergrenze durch den Bund aus, was weitere 158 Millionen von 2010 bis 2013 ergeben würde.
Auch den Pauschalbetrag für die Bundesgesundheitsagentur wollen die Kassen vom Bund zurück haben, was mit 252 Millionen Euro (2010 bis 2013) zu Buche schlägt. Und schließlich würde die angestrebte Verlagerung der medizinischen Rehabilitation von der Krankenversicherung in die Pensionsversicherung Mehrkosten von 260 Millionen Euro (2010 bis 2013) verursachen. Alles in allem wären das laut Finanzministerium eine Milliarde Euro Mehrausgaben für 2010 bis 2013 zusätzlich zulasten des Bundesbudgets.
Faymann will Pröll unterstützen
Bundeskanzler Werner Faymann sieht in dem Konflikt Pröll am Zug. Die Freigabe der Gelder zur Entschuldung stehe für ihn allerdings außer Frage, sagte Faymann zur APA. Über die Differenz zwischen den Wünschen des Hauptverbandes und den Vorstellungen Prölls müsse der Finanzminister selbst verhandeln, "ich unterstütze ihn", so Faymann.
Er betonte, es sei wichtig, dass auch die Ärzteschaft am Sanierungskonzept mitgearbeitet habe. Da müsse man auch einmal Danke sagen und nicht immer "das Haar in der Suppe suchen". Die Dotierung des Strukturfonds ab 2011 will Faymann später diskutieren.
Schelling will Konzept unverzüglich umsetzen
Hauptverbands-Chef Schelling selbst erwartet eine klare Aussage der Regierung - damit spielte er auf die erste positive Rückmeldung des Gesundheitsministers an. Dieser hat am Mittwoch aber Pröll unterstützt und gemeint, dass der HV noch "Klarstellungen und präzisere Informationen zu den Kostendämpfungen" übermitteln solle.
Schelling sieht jedenfalls seinen Arbeitsauftrag erfüllt. "Das "Konzept hat Hand und Fuß". Dass Pröll nicht an die bezifferte Kostendämpfung von 2,5 Milliarden glaube, liegt für Schelling in der "Komplexität" des Papiers. Er sei gerne bereit, Unklarheiten in einem Gespräch auszuräumen. Außerdem gebe es keine Forderungen an den Bund, und die eine Milliarde an Mehrausgaben stimme nicht. "Wir werden aber unabhängig von der Regierung unverzüglich damit beginnen, das Papier umzusetzen", sagte Schelling.
Kritik von Ärzten Opposition, Ländern
Ärztekammer-Präsident Walter Dorner reagierte "erstaunt". Das aktuelle Paket beinhalte wesentliche Weichenstellungen für die Zukunft. Scharfe Kritik an Pröll übte der ÖGB. Das Gesundheitssystem sei "nicht für politische Machtspiele geeignet", sagte Hauptverbands-Vize Bernhard Achitz.
Pröll treibe ein Spiel mit der Gesundheit der Bürger, hieß es von den Grünen. Die FPÖ glaubt, dass ohnehin beide Regierungsparteien das Paket ablehnen. Das BZÖ ortete bei beiden Regierungsparteien "Hilflosigkeit". Hauptsächlich kritisch zu Pröll äußerten sich auch die Länder.