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Prölls Rücktritt als Chance

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Ja, das EU-Parlament hat einen neuen Präsidenten, und die britische Premierministerin Theresa May hat klargemacht, dass es einen "harten Brexit" geben wird. Aber die Schlagzeilen in Österreich beherrscht Erwin Pröll mit seiner Knall-auf-Fall-Rücktrittserklärung. Denn tatsächlich wird sein Rückzug im März das politische Machtgefüge in Österreich verändern. Die niederösterreichische Volkspartei wird dadurch nicht verschwinden, und Pröll wird bei der Landtagswahl 2018 seine Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner sicher unterstützen. Erwin Pröll bleibt eine politische Figur, aber eben nur in Niederösterreich.

In der ÖVP sollte das Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner stabilisieren, der im April 2016 noch die inner-niederösterreichische Rochade im Innenministerium begleitend abnicken musste. Muss es aber nicht. Denn ohne Pröll (und später Josef Pühringer aus Oberösterreich) werden in den Gremien der Volkspartei die Bünde wieder stärker zu Tage treten. Und die starke personelle Präsenz des Arbeitnehmerbundes ÖAAB stößt in der ÖVP dem Wirtschafts- und dem Bauernbund durchaus sauer auf. Mitterlehner wäre jedenfalls gut beraten, das Pröll’sche Machtvakuum rasch zu füllen und mögliche Diadochen-Kämpfe im Keim zu ersticken.

Für die von Bundeskanzler Christian Kern angestoßene und von Finanzminister Hans Jörg Schelling fortgesetzte Föderalismus-Debatte ist Prölls Rücktritt günstig. Es waren vor allem die langjährigen Landeshauptleute, die den Finanzausgleich zu ihren Gunsten verhandelten, über alle Parteigrenzen hinweg. Für die dringend notwendige Neuordnung der Republik (siehe Wirtschaftsverfahren und Mindestsicherung) ist eine machtpolitische Verschiebung in Richtung Bund und ein Generationenwechsel in den Landesregierungen von Vorteil.

Der Rücktritt von Erwin Pröll wird das politische Österreich verändern. Das ist gut so. Das Land benötigt Veränderung, 2017 wird international vieles auf den Kopf stellen, alte Vertrautheiten beiseite wischen. Der Rücktritt eines österreichischen Landeshauptmanns wird daran nichts ändern, aber Österreich kann nun flexibler darauf reagieren. Pröll hat das wohl in den vergangenen Wochen erkannt, dem selbstgewählten Rücktritt gebührt daher Respekt. Und für die Bundesregierung bedeutet es, beim nächsten Ministerrat Größeres zu vereinbaren als zuletzt.