Zum Hauptinhalt springen

Prölls Schatten verblasst

Von Clemens Neuhold

Politik

Im Wahlkampfinale wird die Diskussion um Spekulationsverluste immer heftiger.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

St. Pölten. Eine Vorlesung in Finanzwirtschaft, ein Seminar über Geldveranlagung, ein Börsianer-Treff? Nein, es ist niederösterreichischer Wahlkampf. Und der dreht sich - wenn das Duell Frank Stronach vs. Erwin Pröll einmal Pause macht - immer stärker um das niederösterreichische Spekulationskarussell. In dessen Mitte sitzt weniger Landeshauptmann Erwin Pröll als Finanzlandesrat und Pröll-Vize Wolfgang Sobotka. Auf ihn schießen sich die politischen Gegner mit ihrem antrainierten Fachwissen, das man sonst nur Finanzexperten zutraut, ein.

Während die Salzburger "Zockerln" nach anfänglichen Horrorzahlen sogar ein Plus von 35 Millionen Euro erwirtschaftet haben, drehen sich das St. Pöltner Spekulationskarussell und damit auch die Verluste weiter, die Experten und alle politischen Gegner bei einer Milliarde Euro - je nach Börsenlage auf oder ab - ansetzen. Am Dienstag waren diese schwindelerregenden Zahlen auch Thema einer dringlichen Anfrage, welche die Grünen im Parlament an Finanzministerin Maria Fekter stellten.

Sein eigenes Karussell könnte Sobotka nach der Wahl am 3. März aus der Landesregierung schleudern. Denn auch ÖVP-intern wird man bei dem Verlust der absoluten Mehrheit, die Pröll bei der letzten Wahl sogar noch ausbauen konnte, einen Schuldigen suchen; und der wird, ist von Insidern zu hören, nicht Pröll, sondern Sobotka heißen. Eine Alternative zu Pröll wäre nach dem freiwilligen Abgang vom recht beliebten Landesrat Josef Plank auch weit und breit nicht in Sicht.

Fallen könnte der mächtige Finanzer Sobotka in diesem Szenario freilich sanft - in einen Versorgungsposten. Beteiligungen an Firmen hat das Land Niederösterreich genug - von EVN bis Flughafen Wien werden früher oder später wieder Sessel frei. Am Flughafen Wien landete einst der Vorgänger Sobotkas, Landeshauptmann-Stellvertreter Ernest Gabmann; bei der EVN wäre Sobotka 2009 fast gelandet, als die Kritik an Sobotkas Wall-Street-Ausflug mit grundsoliden Wohnbaudarlehen ihren ersten Höhepunkt erreichte. Von diesem Fast-Abgang berichten heute alle Oppositionsparteien unisono, die sich damals auf Sobotka einschossen.

Neues Spiel, neues Glück?

Doch Sobotka, der sich gerne als "Steher" bezeichnet, blieb auf den Füßen; jetzt wankt er erneut. Denn die Kritik an ihm und seinem Chef Erwin Pröll, der den allmächtigen Kassenwart gewähren ließ, wird mindestens bis zur Nationalratswahl im Herbst anhalten, das versprechen die Grünen jetzt schon. Und auch Pröll selbst wird dafür sorgen, dass das Thema am Tapet bleibt. Er will nämlich nicht aus den Veranlagungen aussteigen.

"Wir haben noch fast zehn Jahre", hofft er auf mehr Glück an den Börsen und höhere Zinsen für die veranlagten Wohnbaugelder in den nächsten Jahren. In dem bemerkenswerten Interview auf Puls4 gestand Pröll, der sonst immer von 800 Millionen Euro Gewinn sprach, erstmals indirekt die hohen Verluste ein. Angesprochen darauf, ob er hofft, die "eine Milliarde Euro, die Sie unter Wasser sind", in den nächsten Jahren wieder aufholen zu wollen, sagte er: "Ja, das ist möglich, wenn sich die Finanzmärkte weiter entwickeln." Gleichzeitig kündigte Pröll an, die Wohnbaugelder konservativer als früher veranlagen zu wollen (angesichts des jüngst beschlossenen Spekulationsverbots im Verfassungsrang bleibt ihm auch nichts anderes übrig). Je niedriger jedoch das Risiko, desto niedriger die Gewinnchancen.

Der Klubchef der FPÖ Niederösterreich, Gottfried Waldhäusl, meint: "Das ist, als wolle eine Fußballmannschaft, die 8:0 hinten ist, in den letzten zehn Minuten das Match noch drehen oder ein Bauer, der jedes Jahr zig Hektar Land verkauft, mehr ernten."

In dem Interview sprach der Landeshauptmann weiters von "Leuten in der Landesregierung", die den Umgang mit Steuergeldern "zu verantworten haben", und damit kann er nur Wolfgang Sobotka meinen.

Sobotka hatte sich als Musikschullehrer, Cellist und Dirigent eigentlich der Musik verschrieben, dann reizte ihn doch die Klaviatur der Macht. Und die spielte der ehemalige Bürgermeister von Waidhofen/Ybbs und spätere Finanzreferent des Landes so perfekt, dass ihn Waldhäusl als teils "mächtiger als Pröll" ansieht. Als cholerisch, stur, hart aber auch schlau und arbeitsbesessen bezeichnen Beobachter den sechsfachen Familienvater.

Ins Machtgehege kommen

"Pröll fürchtet dessen Macht langsam", ist die Niederösterreich-Chefin der Grünen, Madeleine Petrovic, überzeugt. Tatsächlich geht im Land wenig ohne Sobotka. Er entscheidet, welche Gemeinde wie viel Geld bekommt, wer welche Posten in den Landeskrankenhäusern besetzt. Und er und seine Mitarbeiter sind wohl die Einzigen, die das selbst geflochtene Dickicht aus Stiftungen, Firmenbeteiligungen, Vereinen, Bankenkonten noch durchblicken.

Bei den Wohnbaudarlehen nimmt Petrovic Pröll in Schutz. Sie glaubt, dass Pröll über Sobotkas Börsenabenteuer "nicht voll informiert war". Der Streichelkurs gegenüber Pröll könnte strategisch motiviert sein, falls die ÖVP nach der Wahl einen (grünen?) Partner braucht. Falls nicht, könnte neben Pröll auch dessen Dirigent die absolute Macht behalten.