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Propaganda statt Information?

Von Alexander Warzilek

Gastkommentare

Das Kommunikationsdesaster des Innenministeriums.


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Ein offener demokratischer Diskurs ist ohne unbequeme Journalistinnen und Journalisten nicht möglich. Das scheint sich im Innenministerium allerdings noch nicht herumgesprochen zu haben. Laut einer "Empfehlung" eines Sprechers von Innenminister Herbert Kickl in einem E-Mail an die Landespressesprecher der Polizei sollte die Kommunikation mit kritischen Medien - explizit genannt sind "Standard", "Falter" und "Kurier" - auf ein Minimum heruntergefahren werden. Gewisse, der Exekutive freundlich gesinnte Medien seien hingegen zu bevorzugen (im E-Mail wird eingangs eine Reality-Doku bei ATV über die Polizei als Positivbeispiel angeführt).

Die Unterscheidung zwischen "braven" und "schlimmen" Medien ist mehr als bedenklich. Die Grundrechte auf Pressefreiheit und Gleichbehandlung verpflichten die staatlichen Behörden bei ihrer Informationspolitik zu strikter Neutralität. Das Innenressort darf Medien unter keinen Umständen aufgrund ihres Verhaltens verschieden behandeln. Es muss vielmehr entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, dass alle Medien gleichermaßen vom Grundrecht auf Pressefreiheit Gebrauch machen können.

Im E-Mail wird darüber hinaus darauf hingewiesen, Sexualdelikte, die in der Öffentlichkeit begangen werden, den Medien gegenüber besonders hervorzuheben. "Rein familiäre Taten" könnten dagegen verschwiegen werden. Diese Vorgabe kommt einer Verzerrung gleich, weil gerade die meisten Sexualdelikte im familiären Umfeld auftreten.

Nicht verzerrend und diskriminierend informieren

Der Hintergrund der offenbar aus politischen Gründen erwünschten Manipulation: Bei den in der Öffentlichkeit begangenen Delikten handelt es sich überproportional oft um Täter mit Migrationshintergrund, der diesem E-Mail zufolge in jedem Fall offen gelegt werden soll.

Der Minister und sein Kommunikationsteam dürfen die Medien nicht verzerrend und in einer diskriminierenden Form über Kriminalfälle informieren. Politisch eingefärbte Informationen kommen Propaganda gleich. Das Innenministerium darf nicht zur Parteizentrale der FPÖ verkommen.

Der zuständige Sektionschef des Ministeriums sagt, das umstrittene E-Mail sei keine Weisung, sondern lediglich eine "Anregung", die jedoch "im Grunde schon" umgesetzt werden sollte. Nicht nur in den Landespolizeidirektionen herrscht ob derartiger verschwurbelter Formulierungen Verwirrung. Wie verbindlich ist das Schreiben nun tatsächlich? Selbst wenn es sich dabei um keine Weisung handelt, hat es eine fatale Signalwirkung.

Das Ministerium beharrte in einer Aussendung vom Dienstag darauf, dass der "Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen" sei - somit werden die Vorbehalte des Ministeriums gegen einzelne Medien öffentlich eingestanden. Einsicht und ein rechtsstaatliches Demokratieverständnis sehen anders aus.

Inhaltliche Kontrolle von Medien ist verfassungswidrig

Daher an dieser Stelle noch einmal in aller Klarheit: Die inhaltliche Kontrolle von Medien steht dem Ministerium nicht zu und ist verfassungswidrig. Die Sprecher des Ministeriums können sich die Gesprächspartner der Medien nicht nach ihrem Gutdünken aussuchen. Ihr Wunsch nach "Hofberichterstattung" widerspricht ihrer Informationspflicht diametral.

Das E-Mail, aber auch das PR-Krisenmanagement des Ministeriums hinterlassen viel zerschlagenes Porzellan. Nach einem Sturm der Entrüstung quer durch die Medienbranche, Ordnungsrufen vom Bundespräsidenten abwärts und internationalen Berichten über den Missstand lenkte Minister Kickl ein, allerdings nur halbherzig. Laut einer Aussendung teile er die Ansichten seines Sprechers zu "kritischen Medien" nicht, die Pressefreiheit sei "unantastbar". Bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage im Parlament verteidigte er hingegen die anderen heiklen Passagen des E-Mails. Der demokratiepolitische Scherbenhaufen besteht somit fort.

Vielleicht noch ein Hinweis, der die belastete Situation entspannen könnte: Die von Kickl angekündigten "neuen Leitlinien zur Kommunikationsarbeit" sollten nicht im Alleingang vom Ministerium, sondern in Abstimmung und auf Augenhöhe mit den davon betroffenen Journalistinnen und Journalisten erstellt werden.