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Die diesjährige Oscar-Verleihung verschärfte den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt USA-Iran noch. Schon vor 25 Jahren, am 18. April 1988, lieferten sich die Konfliktparteien ein Seegefecht im Persischen Golf.
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Die USA müssen zurzeit an zwei Propagandafronten bestehen. Neben den jüngsten Ereignissen rund um den unberechenbaren Provokateur Nordkorea sorgte im seit Jahrzehnten schwelenden USA-Iran-Konflikt vor allem die diesjährige Oscar-Verleihung für Verstimmung. Als Michelle Obama per Videobotschaft den Iran-kritischen Film "Argo" als Oscar-Gewinner für den besten Film verkündete, ließ der Protest nicht lange auf sich warten. Von politischer Vereinnahmung und Provokation war seitens der iranischen Vertreter die Rede. Die nicht wenig patriotische Heldengeschichte über eine riskante Befreiung US-amerikanischer Diplomaten durch die CIA wirft ein eher unschönes Bild auf den Iran von 1980, wo das US-freundliche Schah-Regime gerade der Islamischen Revolution gewichen war.

Selbst wenn die Macher von "Argo" sichtlich um Objektivität bemüht waren, gänzlich an den Haaren herbeigezogen wirkt die Kritik freilich nicht, hat sich Hollywood doch schon früher als Geheimwaffe in puncto Propaganda hervorgetan. Nicht selten dienten Produktionen der Traumfabrik der Vorbereitung und Legitimation militärischer Operationen. Dass nun ausgerechnet die Präsidenten-Gattin Michelle Obama den wichtigen Preis verkündete, ließ im Iran die Wogen hochgehen.
Seitens der iranischen Führung plane man eine Klage gegen die "Argo"-Schöpfer sowie einen Gegenfilm. Darüber hinaus verlieh man der First-Lady zum Ende der diesjährigen Kunstfestspiele im Iran den ironischen Preis "Nasses Schießpulver", der laut den Organisatoren für besondere Nutzlosigkeit stehe.
Offene Kriegsrhetorik
In der Vergangenheit blieb es jedoch nicht nur bei harmlosen Gesten dieser Art. Wiederholt gipfelte der Konflikt zwischen Iran, Israel und den USA - vor allem aufgrund des umstrittenen iranischen Atomprogramms - in offener Kriegsrhetorik. In den letzten Jahren kam es auch zu kleineren Zwischenfällen mit unbemannten US-Drohnen und der iranischen Luftwaffe. 2011 erbeutete der Iran eine US-Drohne, die sich auf einem Spionageflug über dem Osten des Landes befunden hatte. Auch im Persischen Golf mehren sich die Zwischenfälle. Vergangenen November feuerten iranische Flugzeuge auf eine US-Drohne, eine Attacke im März dieses Jahres konnte gerade noch verhindert werden.
Immer wieder droht der Iran damit, im Falle eines US-israelischen Angriffs auf die Atomanlagen des Landes, den Schiffsverkehr im Persischen Golf zu stören. Durch das Gewässer führt eine Öltransport-Route, die für die USA wie für die gesamte westliche Welt von immenser Wichtigkeit ist. Im Mai soll daher eine groß angelegte militärische Operation der US-Marine stattfinden, im Zuge derer das Entfernen iranischer Seeminen geübt werden soll. Eine solche Mine war es auch, die den Iran und die USA vor 25 Jahren, am 18. April 1988, in ein Seegefecht im Persischen Golf stürzte.
Wie schnell sich kleinere Scharmützel - etwa das Auflaufen auf eine Seemine oder auch das Abschießen einer Spionagedrohne - zu echten kriegerischen Konflikten auswachsen können, führt diese Geschichte vor Augen. Im Vergleich zu damals zeigt sich aber, dass die politische Führung der USA heute weitaus zurückhaltender agiert und lieber den leisen Drohnenkrieg forciert, als mit einer großen Militäroperation sofort ins Blick- und Schussfeld der Weltöffentlichkeit zu geraten.
Ronald Reagan hätte da wohl anders gehandelt. Der ehemalige Schauspieler im Präsidentenamt gilt im Rückblick Vielen als Marionette seines Beraterstabes. Vor allem Admiral William J. Crowe, der später auch unter George Bush Sr. und dem Demokraten Bill Clinton gedient hat, überzeugte Reagan 1988 zum Angriff auf iranische Kriegsschiffe und damit zum direkten Eingreifen in den Ersten Golfkrieg, der sich gerade dem Ende zuneigte. "Operation Praying Mantis", zu Deutsch Gottesanbeterin, hieß die Militäroperation, die mit einem Sieg der US-Navy endete. Die Vorgeschichte ist verworren und reicht bis in die 50er Jahre zurück.
Um im ölreichen Nahen Osten nicht an Einfluss zu verlieren, unterstützten Großbritannien und die USA 1953 in der "Operation Ajax" mit Hilfe der Geheimdienste die Festigung der US-freundlichen Monarchie unter Schah Mohammed Reza Pahlavi in Persien. In diese Zeit fielen auch Waffenlieferungen der USA an den Iran, die paradoxerweise in der späteren Seeschlacht von 1988 gegen die USA selbst eingesetzt wurden. Ein Umstand, den man auch aus jüngeren Auseinandersetzungen, etwa in Afghanistan, kennt.
Die inneren Spannungen und die schlechte soziale Lage der Iraner gipfelten in der Islamischen Revolution von 1979, in der die Geistlichkeit zurück an die Macht drängte und der Schah abdanken musste. Doch schon ein Jahr nach der Revolution wurde die junge Islamische Republik in einen Krieg mit dem Irak unter Saddam Hussein gedrängt, der nach Expansion strebte. Die Eroberung des iranischen Staatsgebiets galt ihm als oberstes Ziel, sind doch Mesopotamien (das Gebiet des heutigen Irak) und Persien seit Jahrhunderten erbitterte Rivalen.
Mit dem irakischen Angriff auf den Iran begann 1980 der Erste Golfkrieg um die Vormachtstellung am Persischen Golf, der in acht Jahren schätzungsweise über 500.000 Tote forderte und auch den Öltankerverkehr im Golf erheblich störte. Die USA sahen sich daher ab 1987 gezwungen, ihre Tanker militärisch zu eskortieren und verstärkten die Militärpräsenz in der Region um ein Vielfaches.

Große Seeschlacht
Am 14. April 1988 lief die amerikanische Fregatte USS Samuel B. Roberts während ihrer Patrouillentätigkeit nordöstlich von Katar auf eine Seemine auf und wurde schwer beschädigt. Aufgrund der Seriennummer weiterer in der Region gefundener Minen konnten die Amerikaner diese dem Iran zuschreiben.
In den Tagen nach diesem Vorfall drängten die Berater des US-Präsidenten Ronald Reagan auf Angriffe gegen iranische Kriegsschiffe. Zunächst aber sollten die iranischen Bohrplattformen Sassan und Sirri, die laut den USA als Kommando- und Koordinationszentrale für iranische Angriffe auf den Golf passierende Tanker dienten, beschossen werden. Der Angriff auf die iranischen Streitkräfte begann am 18. April um acht Uhr Ortszeit und sollte sich im Laufe dieses Tages zur größten Seeschlacht der US-Marine seit dem Koreakrieg von 1952 auswachsen. Die iranischen Marineeinheiten konnten der hochgerüsteten US-Navy wenig entgegenhalten und mussten mit zwei zerstörten Bohrplattformen und mehreren versenkten Schiffen schwere Verluste hinnehmen. Eine Fregatte, die den Amerikanern zunächst als eines der Hauptziele der Operation galt, wurde jedoch auf obersten Befehl hin weitestgehend verschont, da man den Konflikt nicht weiter eskalieren lassen wollte.
Die "Operation Praying Mantis" hatte unmittelbare Auswirkungen auf den Golfkrieg. Geschwächt durch die amerikanischen Attacken, musste der Iran die eroberte Halbinsel Al Faw wieder an die irakischen Streitkräfte abtreten. Wenige Monate nach der US-Intervention endete der Erste Golfkrieg in einem Waffenstillstandsabkommen.
"Noricum"-Skandal
Politische und strafrechtliche Folgen hatte der Golfkrieg auch in Österreich. Der Noricum-Skandal - illegale Waffenlieferungen an den Irak und den Iran durch die VOEST-Tochterfirma Noricum - zog einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und Verurteilungen verantwortlicher Manager sowie des damaligen Innenministers Karl Blecha nach sich. Der mysteriöse Todesfall des damaligen Botschafters Herbert Amry, der die Aufdeckung des Falls maßgeblich ins Rollen brachte, lässt bis heute Fragen offen.
1992 reichte der Iran eine Klage beim Internationalen Gerichtshof ein, der die Rechtmäßigkeit der Angriffe auf die Ölplattformen klären sollte. Erst im November 2003 fällte der Internationale Gerichtshof sein Urteil, wonach die Operation keine Notwendigkeit für die Wahrung essenzieller Sicherheitsinteressen der USA hatte; das Auflaufen eines Schiffes auf eine Mine reiche nicht aus, um eine militärische Operation solchen Ausmaßes zu starten.
Ungeachtet der Verhältnismäßigkeit wurde die Operation vor 25 Jahren als wichtiger Propagandaerfolg und als Machtdemonstration der US-Streitkräfte gesehen. Nur drei Jahre später sollten die USA erneut in der Region eingreifen. Auf der Seite Kuwaits kämpfte man im Zweiten Golfkrieg gegen Saddam Husseins Truppen, der mit der Invasion Kuwaits weiter auf Expansionskurs blieb.
Der Blick zurück zeigt, wie rasch aus Provokation bitterer Ernst werden kann, wenn an den Hebeln der Macht der Einfluss der Militärs das Primat der Politik und Diplomatie zurückdrängt. Im aktuellen Konflikt zwischen den USA und dem Iran muss man wohl auf die Fortschritte im Völkerrecht, kluges Handeln der Vereinten Nationen und bedachtere Staatsmänner hoffen. Die Propagandaspiele indes, ob in Hollywood oder am Persischen Golf, werden wohl auch in Zukunft weitergehen.
Stefan Weiss, geboren 1990, studiert Politikwissenschaft und Kunstgeschichte in Wien. Er betreibt einen Blog für Politik, Kunst und Kultur und schreibt als freier Journalist für verschiedene Print- und Onlinemedien.