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Propagandaschlacht zwischen Moskau und Tiflis

Von Ania Tsoukanova

Politik

Kampf um Deutungshoheit im Südossetien-Konflikt. | Moskau. (afp) Die ersten Bomben im Kaukasus waren gerade gefallen, da stand auch schon die zweite Front. Schockierende Fernsehbilder, flammende Erklärungen und nicht überprüfbare Mitteilungen zum Verlauf der Kämpfe sind zu scharfen Waffen im Konflikt zwischen Russland und Georgien geworden. Nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in den Medien kämpfen beide Seiten um die Vormacht.


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Für manche steht der Sieger aber schon jetzt fest. Die Russen hätten ihre Gegner den "Blitzkrieg in den Medien" gewinnen lassen, monierte die russische Tageszeitung "Wedomosti". Der Kreml schaffe es nicht, der internationalen Gemeinschaft seine Positionen zu vermitteln, konstatierte auch der unabhängige Kommentator Alexander Golts.

Westliche Experten unterstützen Georgien

Tatsächlich wird der georgische Präsident Michail Saakaschwili von einem Team westlicher Kommunikationsexperten unterstützt, die ausländische Reporter mit Mitteilungen auf Englisch überschütten. Auch manche seiner öffentlichen Erklärungen gibt Georgiens Präsident auf Englisch ab - vor dem Hintergrund einer europäischen Flagge. "Wenn Georgien fällt, dann bedeutet das auch den Sturz des Westens in der ganzen ehemaligen Sowjetunion und darüber hinaus", schrieb er in einem Beitrag für das "Wall Street Journal Europe".

Kein Wunder, dass in Russland viele den westlichen Medien vorwerfen, auf der Seite Georgiens zu stehen. "Sie sehen den Aggressor lieber in Russland als in Georgien", schrieb die russische Tageszeitung "RBC Daily" - und dies, obwohl die georgische Intervention in dem nach Unabhängigkeit strebenden pro-russischen Südossetien den Krieg erst ausgelöst habe, fügte das Blatt hinzu.

Jedenfalls tobt der Kampf um die Deutungshoheit. Russland wirft Georgien vor, einen "Genozid" in Südossetien zu betreiben. Tiflis wiederum vergleicht die russischen Militäreinsätze gegen seine Truppen mit dem Einmarsch sowjetischer Panzer in Prag 1968.

Auch die Zahl der Opfer ist Teil der Propagandaschlacht. Gleich am zweiten Tag nach der georgischen Offensive gegen Südossetien sprach Moskau von 2000 Toten in dem Gebiet - eine Zahl, die Tiflis als "unverhohlene Lüge" zurückwies. Als Putin wenige Stunden später von "Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten" sprach, war die Überraschung auf beiden Seiten groß. In den Fernsehnachrichten tauchten die nach unten revidierten Zahlen später nicht mehr auf.

Stattdessen sind im russischen Fernsehen unaufhörlich Bilder von weinenden Müttern mit kleinen Kindern in den Armen, von alten Männern und Frauen zwischen Trümmern zu sehen. Die Bilder sind mit trauriger Musik unterlegt. "Das ekelt mich an. Ich kann es nicht mehr sehen", schrieb der russische Journalist Anton Orech im "Eschednewni Journal". Bilder von Opfern der russischen Angriffe in Georgien kommen dagegen nicht vor. Doch das Gleiche gilt - unter umgekehrten Vorzeichen - auch für die Sender der anderen Konfliktpartei.

In Georgien ist seit Samstag nicht nur die Verbreitung russischer Fernsehbilder verboten, auch russische Websites waren nur eingeschränkt erreichbar. Die Begründung der Regierung: Der Kreml mache "Propaganda in bester sowjetischer Tradition".