Die traditionellen Feuerwerke zum Jahreswechsel wurden heuer in Wien, Linz, Klagenfurt und anderen Städten kurzerhand abgesagt: Die ungeheure Flutkatastrophe in Südostasien wirft einen zu großen Schatten auf die Feier-Stimmung. Wien etwa spendet stattdessen 7.000 an Licht ins Dunkel. Auch in der Silvesternacht wird allerorts für die Opfer gesammelt. Und welchen Unterhaltungswert hat ohrenbetäubende Kracherei tatsächlich? Ein Silvester zum Umdenken.
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"Auch wir empfehlen, das Geld für Feuerwerksartikel doch lieber zu spenden", gibt selbst die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) eindeutige Parolen aus: "Dass dies Geschäftseinbußen bringt, ist klar, aber alles andere wäre pietätlos", ergänzt Roman Seeliger von der Sektion Handel. Im Vorjahr waren es nach Schätzungen der Kammer rund 35 Mio. Euro, die in die Luft oder die Gehörgänge Unbeteiligter geblasen wurden.
Allein die Wiener Polizei registrierte vergangenen Silvester 150 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Pyrotechnikgesetz, wegen Körperverletzung oder Sachbeschädigung. "Wir werden wieder permanent im Einsatz sein, um das Ärgste zu verhindern", kündigt Peter Goldgruber, Leiter der Wiener Sicherheits- und Verkehrspolizei an. Rund 80 Beamte verteilen sich vor allem um die kritischen Punkte Rathaus, Stephansplatz und Kursalon-Clubbing. "Eigentlich sind alle Feuerwerksartikel der Klasse II, die nur an Erwachsene abgegeben werden dürfen, im Ortsgebiet, also in ganz Wien, verboten", betont Goldgruber. Darunter sind "Klassiker" wie "Piraten" und so ziemlich alle Garten-Feuerwerke. In der Praxis konzentriert sich die Exekutive auf besonders gefährliche Auswüchse, "etwa jene Spaßvögel, die anderen Kracher in die Taschen stecken, zwischen die Füße, in Autos oder offene Fenster werfen", beschreibt Goldgruber seine "Klientel".
"Wir können nur immer wieder darauf hinweisen, dass Körperverletzung und Sachbeschädigung mit Gerichtsverfahren geahndet werden und im schlimmsten Fall im Gefängnis enden". Eine Reduktion der Kracher-Orgien erwartet er sich aber dennoch kaum.
Ein Lokalaugenschein bei Wiens traditionsreichstem Feuerwerks-Händler Ed Witte beim Wiener Naschmarkt (seit 1863) bestätigt diese Prognose: "Wir merken bisher nicht viel von Trauer", erklärt Geschäftsführerin Ilse Blank. Andere sprechen dagegen von Rückgängen von 50 Prozent. Den Kracher-Handel mögen die wenigsten, "aber da gehören generell strengere Gesetze her", fordert Blank. Obwohl die Lärm-Bomben rund 15 Prozent des Feuerwerks-Geschäftes ausmachen, bringen sie der Branche mehr (Image-) Schaden, als Gewinne.
Weniger Rauchen, Trinken?
Warum ausgerechnet die Kammer dazu aufruft, beim Feuerwerk zu sparen, versteht Blank nicht: "Man sollte die Leute lieber anhalten, weniger zu trinken, zu rauchen oder zu völlern - das wäre auch gesundheitspolitisch sinnvoller". Feuerwerk sei schließlich etwas Schönes und finde "zumindest in seriösem Umfeld nur in der halben Stunde zwischen 23.45 und 0.15 Uhr zu Jahreswechsel statt", betont die erfahrene Kauffrau, die eine solche "Negativ-Stimmung" zu Lasten des Handels zuletzt zu Beginn des ersten Golfkrieges erlebt hat: "Wir machen jetzt 20 Prozent des Jahresgeschäftes - da hängen auch Existenzen dran". Aber die Österreicher scheinen dies zu wissen, denn auch der Getränkehandel ist bisher zufrieden.
Umwelt- und Tierschutz
Paradoxerweise kommen ausgerechnet jene Produkte, die man zugunsten der Opfer in Asien nicht kaufen soll, aus Asien. Jene hunderttausenden Österreicher, die Krach- oder Feuerwerkskörper kaufen, geben dafür im Schnitt 30 bis 50 Euro pro Person aus. 80 Prozent davon gehen in zunehmend hochwertige und -preisige Raketen.
Gewarnt wird aber auch vor umweltgefährdenden Dekorations- und Scherzartikeln: "Viele Party-Produkte wie Schnee-, Goldglimmer- und Luftschlangensprays enthalten nach wie vor teilfluorierte Kohlenwasserstoffe, also starke Treibhausgase", weiß der grüne Wiener Umweltsprecher Rüdiger Maresch.
Der Namensgeber des Festes, Papst Silvester I. (4. Jhdt.), ist übrigens auch der Patron der Haustiere - die unter dem Krach besonders leiden.