Die Nanoskopie könnte bedeutende Fortschritte für Krebsforschung bringen.
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Wien. Zuerst wollte ihm niemand so richtig Glauben schenken. Schon 1993 fand der deutsche Physiker Stefan Hell heraus, wie man Proteinen, die wesentlich kleiner als eine Lichtwelle sind, bei ihrer Arbeit in lebenden Zellen zusehen kann. Doch in seiner Heimat bekam er dafür keine Forschungsstelle. Auch die renommierten Fachjournale "Science" und "Nature" nahmen ihm seine Erkenntnisse fürs Erste nicht ab. Sie hielten an der 1873 vom deutschen Physiker Ernst Abbe definierten Beugungsgrenze fest, wonach feine Details unter einer Größe von 250 Nanometern mit optischen Mikroskopen nicht sichtbar sind. Denn um sie zu beobachten, müsste man sie mit Licht bestrahlen, doch der Lichtstrahl ist in seiner Beugung zu breit, um nur wenige Nanometer (oder: wenige Millionstel Millimeter) kleine und nebeneinander liegenden Strukturen voneinander zu unterscheiden.
Da Licht sich als Welle ausbreitet, kann der Mensch es nicht kürzer sehen als eine halbe Lichtwellenlänge, berechnete Abbe. Zwar ist erkennbar, dass etwas da ist, doch die winzigen Strukturen erscheinen verwaschen. Der Lichtstrahl wirkt wie ein zu dicker Pinsel, der filigrane Konturen überdeckt. Dieses Limit, hieß es vonseiten der Fachmagazin-Editoren, sei unmöglich zu überschreiten: An Lichtwellenlängen ließe sich schließlich nicht rütteln.
Womit sie natürlich recht behielten, freilich gilt die Beugungsgrenze weiterhin. Und dennoch konnte Hell, wie schließlich führende Köpfe des deutschen Max-Planck-Instituts sowie der Technischen Universität Wien anerkannten, sie überschreiten. Der Physiker, der vor wenigen Wochen den Körber-Preis für Europäische Wissenschaft 2011 erhielt, wird morgen Donnerstag um 17 Uhr am Institute of Science and Technology Austria (Ista) in Maria Gugging nahe Wien über die Nanoskopie vortragen.
"Die Frage, ob man mit einem Lichtmikroskop doch schärfer sehen kann, als man lange dachte, hat mich schon immer beschäftigt", sagt er zur "Wiener Zeitung". Er führt aus: "Das Problem dabei ist nicht die Beugung und das Licht, sondern die Trennung der Moleküle. Ich versuche nicht, den Lichtstrahl schärfer zu bündeln. Vielmehr reguliere ich die Anzahl der Moleküle, die, wenn sie mit Licht angestrahlt werden, Licht zurückstrahlen." Um filigrane Strukturen auszumachen, schaltet Hell Licht mit Licht aus.
Konkret heftet der Physiker dabei fluoreszierende Moleküle an jene Proteine oder Fette, die er beobachten will. Werden sie etwa mit einem blauem Lichtstrahl angestrahlt, leuchten sie gelb. Zusätzlich baute er eine zweite Lichtquelle ein, die parallel dem blauen Strahl einen Ring roten Lichts hinterherschickt, das dafür sorgt, dass jene Moleküle, die er direkt trifft, nicht aufleuchten. Bleibt nur das gelb leuchtende Molekül, das vom blauen Strahl innerhalb des Rings beleuchtet wird. "Ich messe nur die Moleküle, die zurückleuchten, sie bleiben scharf", sagt Hell. Mit der Methode der STED-Mikroskopie (Stimulated Emission Depletion) können Protein- oder Fettverteilungen in einer Größe von 20 bis 50 Nanometer Punkt für Punkt auf einem Computerbildschirm dargestellt werden.
Verbindungen im Gehirn
Der Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie und Vorstand der Abteilung für Optische Nanoskopie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und sein Team haben die Botenstoffe verfolgt, die Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren lassen. Wollen die Neuronen einen Reiz weiter leiten, setzen sie an ihren Enden, den Synapsen, Botenstoffe aus kleinen Bläschen frei. Nun können die Forscher beobachten, was dabei in diesen Bläschen vorgeht. In weiteren Arbeitsschritten wollen sie den Krebs auf seinem elementaren Level in den Zellen untersuchen.