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Machtkampf geht in neue Runde. | Demonstrationen vor Ausweitung? | Beirut. Aus dem tiefen Süden des Libanon ist Abdullah Hijezi am Sonntag nach Beirut gefahren. Schon zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen. Und wie am Freitag vorvergangener Woche, als Hunderttausende Anhänger der schiitischen Hisbollah und ihrer christlichen, sunnitischen und drusischen Verbündeten das Zentrum der libanesischen Hauptstadt eroberten, so ist Hijezi auch dieses Mal nicht umsonst gekommen: "Uns stört es nicht zu warten, bis die Regierung fällt", sagt der 48-jährige.
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Zehn Tage dauert nun schon das Protestcamp, den Tausende Anhänger der von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführten "Partei Gottes" am Riad al-Solh-Platz unterhalb des Regierungssitzes von Premierminister Fuad Siniora abhalten. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Nasrallahs Stellvertreter, Scheich Naem Qassem, hat mit einer Ausweitung der Aktionen gedroht, sollte Siniora sich nicht einer Aufstockung des Kabinetts um mehrere Minister aus der Freien Patriotischen Bewegung des christlich-maronitischen Ex-Generals Michel Aoun zustimmen.
Doch der 63-jährige sunnitische Premier weigert sich, der Forderung der schiitisch-christlichen Oppositionsallianz nachzugeben. Würde er zulassen, dass mehr als ein Drittel des Kabinetts von Hisbollah-Gefolgsleuten besetzt wäre, könnte die prosyrische Sperrminorität jede Entscheidung der Regierung blockieren. Damit befänden sich die drei wichtigsten Institutionen des Landes in den Händen von Hisbollah-Verbündeten:
Der nur durch eine von Syriens Präsident Bashar al-Assad angeordnete Mandatsverlängerung im Amt befindliche christlich-maronitische Präsident Emile Lahoud und der schiitische Parlamentspräsident Nabih Berri hatten sich schon während des so genannten "Beiruter Frühlings" 2005 auf die Seite der "Partei Gottes" - und gegen die antisyrischen Kräfte um Siniora und den drusischen Vorsitzenden der Sozialistischen Fortschrittspartei, Walid Jumblatt, gestellt.
Nach dem Rücktritt fünf schiitischer und eines christlichen Ministers Mitte November ist der Handlungsspiel des von den USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich unterstützten antisyrischen Regierungsallianz ohnehin auf ein Minimum reduziert. Die Ermordung von Industrieminister Pierre Gemayel vor knapp drei Wochen bedeutete einen weiteren schweren Schlag: Sollten zwei weitere Kabinettsmitglieder zurücktreten oder getötet werden, hätte die Regierung laut Verfassung keine Legitimität mehr.
In den nächsten Tagen will der UNO-Sonderermittler Serge Brammertz seinen dritten Zwischenbericht vorlegen, der die innenpolitische Krise im Libanon weiter verschärfen könnte. Denn nicht zuletzt wegen unterschiedlicher Haltungen zu den internationalen Untersuchungen hatten die prosyrischen Minister Mitte November ihren Rücktritt erklärt.