Demos um die muslimische Schule verliefen friedlich.
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Wien. Das Gedränge ist groß, es ist stockfinster. Johann Gudenus, Klubchef der FPÖ Wien, steht vor einem Rohbau in Simmering und hält eine Rede. Hier soll eine muslimische Schule entstehen. Doch um das zu verhindern, hat die FPÖ zum Protest aufgerufen. In seiner Rede warf Gudenus der Stadtregierung Untätigkeit in Sachen Deradikalisierung vor. Als er fertig ist, ruft eine Gruppe junger Männer "Simmering Heil", ein anderer fragt laut: "Na, wo san die Linken?" Doch die Gegendemo, angemeldet von der "Linkswende", traf erst ein, als sich der Platz bereits fast geleert hatte. So kommt es es an diesem Abend nicht zu Gewalt. Im Vorfeld war befürchtet worden, es könnte wie bei der Anti-Islam-Demo in Köln zu Ausschreitungen kommen.
Viele junge Männer, einige mit Glatze, Anrainer: Das Publikum der FPÖ-Kundgebung war recht durchwachsen. Ob die bei der Demo in Köln aktiven "Hooligans gegen Salafisten", kurz "HoGeSa", unter ihnen waren, ist schwer abzuschätzen. Laut Österreichischem Dokumentationsarchiv (DÖW) ist HoGeSa ein Zusammenschluss von Hooligans, Rechsextremisten und Neonazis.
FPÖ führt den Protest
"Nicht nur die FPÖ, sondern alle Parteien sind gegen die "Imam-Ausbildung hinter verschlossenen Türen", sagt Ernst Holzmann, Simmeringer Bezirksobmann-Stellvertreter der SPÖ vor der Demo. Doch die FPÖ führt den Protest – wohl mit Blick auf die Wienwahl – an und trägt ihn auf die Straße. Die SPÖ verurteilt den FPÖ-Protest, weil er "Angst und Aggression" schüren würde. Und die Stimmung war nicht nur wegen möglicher Hooligan-Aktionen aufgeheizt. Bereits im Sommer war es zur Provokation gekommen: Auf dem Baugerüst waren Schweineköpfe aufgespießt, weitere lagen direkt vor der Eingangstüre.
Hinter dem Schulprojekt steht die konservativ-religiöse "Islamische Föderation", es soll vom türkischen Religionsamt angeregt worden sein. "Wir werden das Projekt nicht auf eigenen Willen durchziehen, sondern suchen einen Konsens mit den Behörden und der Bezirksvertretung. Wir wollen alle einbinden und ein friedliches Zusammenleben. Wir wollen kein Gebäude, das nicht gut ankommt", so Sprecher Yakup Gecgel zur "Wiener Zeitung".
Projekt in Schwebe
Geplant ist ein Oberstufengymnasium für junge Menschen, "die "Interesse haben, sich im theologischen Bereich zu etablieren". Unterrichtet werden soll auf Türkisch und Deutsch. Ob das Projekt bis nächstes Jahr fertig wird, sei unklar. Es startet erst bei genügend Anmeldungen. Diese gibt es noch nicht, denn durch den aktuellen, medialen Druck würden es sich manche gut überlegen. Klar ist, dass die Absolventen keine in Österreich gültige Matura ablegen werden können. Das SPÖ-geführte Unterrichtsministerium und der Wiener SPÖ-Stadtschulrat hat klargestellt, dass die Schule kein Öffentlichkeitsrecht erhält.
Die Matura würde somit nur in der Türkei gelten. Dort könnten die Absolventen nach der theologischen Vorbildung in Wien dann im Anschluss Theologie studieren. Deshalb wird die Schule verkürzt als "Imam-Schule" bezeichnet. Nicht zuletzt im Entwurf des neuen Islamgesetzes ist das Ziel eines "Islam österreichischer Prägung" festgeschrieben, die Imam-Ausbildung soll an der Universität in Österreich erfolgen. Die geplante Schule ist wie ein Gegenmodell dazu. Deshalb die breite politische Ablehnung. Die Hoffnung, dass die Schule – wenn sich die Wogen nach der Wien-Wahl geglättet haben – doch noch Öffentlichkeitsrecht bekommt, hat die Islamische Förderation aber noch nicht aufgeben und verweist auf das österreichische St. Georgs-Kolleg in Istanbul.
"Was ist ein Nazi?"
Zurück zur Demo: Zwei junge Frauen kommen zu spät, als sie nur noch auf die Gegendemo treffen, blicken sie verächtlich auf "die Linken" und sagen: "Wartet nur, bis bei uns die erste Bombe explodiert". Ob sie Nazis sind? "Was ist ein Nazi?" lautet die Gegenfrage der Frau mit Tattoos und Cut auf der Stirn, "wir müssen hier wohnen", sagt die andere. Die Polizei Wien zählte 250 FPÖ-Anhänger und 100 Gegendemonstranten. Dass sie nicht aufeinander trafen, lag an geschicktem Timing. Polizeisprecher Thomas Keiblinger: "Die Strategie, direkte Konfrontation zu vermeiden, ist aufgegangen." Auch die Polizei wirkte an dem Abend sehr entspannt, während sie bei vergangenen Demo-Einsätzen kritisiert worden war, eben nicht deeskalierend vorzugehen. Ein Beamter zu einem vermummten Gegendemonstranten: "Ist dir kalt oder bist du vermummt?" Die Antwort: "Mir ist kalt", beide lachen. Die Ballsaison kann kommen.
Österreichische "HoGeSa"-Internetseiten hatten in den letzten Wochen regen Zuspruch. Zwar hat Facebook den Großteil der einschlägigen Seiten inzwischen gelöscht, doch immer noch im Netz ist die Facebook-Seite "Freies Österreich", die vom DÖW als neonazistisch eingestuft wird. Auf dieser Seite wurde dazu aufgerufen, die FPÖ-Demo als Gelegenheit zu nutzen, "um zu zeigen, wie viele harte Jungs tatsächlich in Österreich sind oder ob die Internet-Aktivitäten einiger nur leere Phrasen sind." Information zu "HoGeSa" gibt es auf der Homepage des Ministeriums für Inneres und Kommunales in Nordrhein-Westfalen