Die VAI-Mitarbeiter wurden von Siemens über die Zukunft informiert. Noch ist wenig klar, es gibt aber Hoffnung.
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Linz. Nicht einmal das Wetter meint es in diesen Tagen gut mit den Mitarbeitern der Siemens VAI in Linz. Just als rund 200 von ihnen am Donnerstag in einem Fußmarsch durch Linz zogen, gingen die einzigen Regenschauer des Tages über der Stadt nieder, die auch wegen der VAI den Spitznamen Stahlstadt bekam. Die Mitarbeiter der ehemaligen Voest-Sparte zogen vom Firmensitz, der nach wie vor auf dem Voest-Gelände liegt, zu einer Informationsveranstaltung im Design Center, bei der sie vom Siemens-Konzern über das nun beschlossene Joint Venture mit Mitsubishi informiert wurden. De facto übernimmt Mitsubishi Heavy Industries die Mehrheit an der VAI.
Als Protestmarsch wollte der Betriebsrat den Spaziergang eines Teils der Belegschaft nicht verstanden wissen - auch wenn sich angesichts von Trillerpfeifen und einem Transparent mit der Aufschrift "Mit uns nicht, da könnt ihr kopfstehen!" dieser Eindruck aufdrängte. Kämpferische Proteststimmung wollte vor der Info-Veranstaltung trotzdem nicht aufkommen, der Großteil der Beschäftigten eilte direkt ins Design Center - wohl auch wegen des Wetters. Freilich stehen die Mitarbeiter den Zukunftsplänen des Konzerns auch mit kämpferischen Parolen relativ machtlos gegenüber.
"Ich fühle mich noch als Voestler"
Das ist für die VAI’ler allerdings nicht wirklich neu. Seit die ehemalige Voest-Sparte Ende der 1980er Jahre aus dem damals staatlichen Stahlkonzern herausgelöst wurde, machte die Spezialistin für Industrieanlagenbau eine wechselvolle Geschichte durch. An manchem Mitarbeiter sind diese Jahre aber scheinbar ohne Eindruck vorübergegangen. "Ich fühle mich noch als Voestler", sagte ein Mitarbeiter, der auf 23 Jahre im Betrieb zurückblicken kann, zur "Wiener Zeitung" am Rande der Informationsveranstaltung.
Als er in den Betrieb eintrat, war der Industrieanlagenbau, im Voest-Jargon I-Bau genannt, rein organisatorisch allerdings schon nicht mehr Teil der Voest, wenn auch über die ÖIAG mit dem Stammwerk verbunden. In den 1990er Jahren kam das Unternehmen unter dem Dach der VA Tech teilweise an die Börse, 2005 wurde es mit der Übernahme durch Siemens Österreich vollständig privatisiert. Der Deal wurde damals als "österreichische Lösung" propagiert.
Trauerkranz für österreichische Lösung
Die Belegschaftsvertreter haben das nicht vergessen. Sie brachten zur Informations-Veranstaltung einen Trauerkranz mit der Aufschrift "In letzter Erinnerung einer österreichischen Lösung" mit. Einige Betriebsräte sehen das Grundübel in diesem Deal. "Das ist schon 2005 versemmelt worden", sagt Betriebsrat Gottfried Hinterberger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Was jetzt passiert ist, ist ganz klar. Die fetten Jahre sind vorbei. Siemens hat für sich die beste Lösung gesucht und die Gewinne der letzten Jahre eingestreift. Wenn das Geld heraußen ist, wird man auf den Markt geworfen", glaubt Hinterberger.
Wie es mit der VAI weitergeht, ist für die Mitarbeiter aber auch nach der Info-Veranstaltung des Vorstands nicht klar. Die Details des Joint Ventures müssen bis Jahresende - Anfang 2015 soll das neue Unternehmen starten - ausgehandelt werden. Eine erste Idee gab die Pressemitteilung, mit der Siemens am Mittwoch den Deal verkündete. Darin wurden einzelne Kompetenzen der beiden Partner besonders herausgestrichen. Die VAI zeichne sich besonders durch die Eisen- und Stahlproduktion, den Strangguss, die Automatisierung und die Umwelttechnologie aus, hieß es.
Nachdem die Stärken von Mitsubishi vor allem bei den Walzen liegen, dürfte es für diese Bereiche in Linz eng werden. Das wurde auch bei der Informationsveranstaltung angedeutet. Immerhin gab es ein generelles Bekenntnis zum Standort Linz. Das hatten die Mitarbeiter vor der Veranstaltung mit dem Transparent "Der I-Bau gehört zu Linz!" gefordert.
Linz "wesentlicher Standort", aber keine Jobgarantie
Die drängendste Frage der Belegschaft, wie viele Mitarbeiter von Einsparungen betroffen sein könnten, wurde nicht konkret beantwortet. Die Stimmung war in der Belegschaft nach der Info-Veranstaltung gespalten. Einige Mitarbeiter teilen die Zuversicht des Vorstands, durch das Joint Venture mit einem japanischen Unternehmen bessere Chancen auf dem Weltmarkt zu haben. Schließlich verlagert sich der Stahlmarkt zunehmend nach Asien. Ein japanischer Eigentümer muss da kein Nachteil sein.
Andere Mitarbeiter sind skeptischer. Der aktuelle Personalstand von 1600 Beschäftigten allein in Linz könnte sich um 200 bis 400 Personen verringern, ist die Befürchtung. Bevor der Siemens-Vorstand die Belegschaft informierte, wurde er von der oberösterreichischen Landesregierung empfangen. Nach dem Treffen wollte Siemens-VAI-Chef Albrecht Neumann einen Personalabbau nicht ausschließen. Allerdings bleibe Linz ein "wesentlicher Standort", von dem aus das operative Geschäft geführt werden solle. Die Zentrale der neuen Firma wird in Großbritannien sein.
Man stehe hinter der Belegschaft und suche den Kontakt zum neuen Mehrheitseigentümer, sagte Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP). Er gab zu bedenken, dass es auch ohne Joint Venture zu einem Personalabbau gekommen wäre. Wirtschaftslandesrat Michael Strugl (ÖVP) sieht wie sein grüner Regierungskollege Rudi Anschober Chancen, dass der Standort gestärkt wird, sollte es gelingen, Kernkompetenz in Linz zu halten.
Mitarbeiter solleneingebunden werden
Auch das wird von den kommenden Detailverhandlungen abhängen. Dabei hofft vor allem der Betriebsrat, mehr Informationen als bisher zu bekommen. "Es wurde versprochen, dass wir eingebunden werden", sagte Betriebsrats-Chef Gerhard Bayer nach der Info-Veranstaltung. Im Vorfeld der Joint-Venture-Entscheidung war das nicht der Fall. "So geht man mit Menschen nicht um", sagte Bayer. Er spricht sogar von einem Gesetzesbruch bei der Informationspflicht. "Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung, rechtzeitig zu informieren", sagte Bayer.
Seine Miene hatte sich nach den knapp zwei Stunden mit dem Vorstand etwas aufgehellt. Ebenso wie das Wetter. Die ersten Sonnenstrahlen schienen noch gefiltert durch das Milchglasdach des Design Centers auf die VAI-Mitarbeiter, auf die Busse zur Rückfahrt ins Werk konnten sie bereits im Sonnenschein warten.