Streik oder nicht Streik - das war nicht die Frage, die ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch erörtert wissen wollte. Vielmehr sollten die Situation der über drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich beleuchtet werden sowie die "soziale Schieflage", die durch die Pläne der Regierung keineswegs beseitigt werde, erklärte er gestern.
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Schon kurz nach Beginn der Pressekonferenz kam es auch wieder zu einer überraschenden Unterbrechung. Mitglieder der "Initiative gegen Privatisierungen" entrollten hinter dem Tisch, an dem Fritz Verzetnisch und ÖGB-Vizepräsident Günter Weninger Platz genommen hatten, ein Transparent. "ÖGB, mach was... Streik" lautete die Forderung.
Der Frage nach dem Streik, die durch die Drohung der Eisenbahnergewerkschaft, in der Luft liegt, ist der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes jedoch schon überdrüssig. "Wenn es ein gut begründeter Anlassfall ist, wird es von mir kein Veto geben", ließ sich Verzetnitsch zu diesem Thema entlocken. Es gehe jedoch um die Anliegen und deren Umsetzung, nicht so sehr um die Methode. Immerhin seien seit dem 1. Juni für alle Österreicherinnen und Österreicher Veränderungen spürbar, durch die die "soziale Schieflage" nicht beseitigt werde.
Kampfmaßnahmen sind nun angesagt - um die Gewerkschafts-Anliegen österreichweit ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Am 28. Juni veranstalten alle Gewerkschaften Protestaktionen. In diesem Rahmen werden alle demokratischen Mittel genutzt werden, erklärte Verzetnitsch. Die dabei neuerlich auftauchende Streik-Frage, beantwortete Verzetnitsch nur ungern. "Streik ist ein sehr bewusst einzusetzendes Mittel", betonte er.
Resolution verabschiedet
In seiner gestern verabschiedeten Resolution verweist der ÖGB-Bundesvorstand auf sein Alternativkonzept, das im Geiste der Sozialpartnerschaft umgesetzt werden sollte. Zu den Forderungen des Gewerkschaftsbunds zählen altersgerechte Arbeitsplätze, bessere Gesundheitsvorsorge, Weiterbildungsmöglichkeiten und konkrete Wiedereinstiegshilfen für ältere Arbeitslose. Die Überlegungen gehen in die Richtung, Menschen länger in Beschäftigung zu halten, erläuterte Verzetnitsch.
Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten ist eine weitere zentrale Forderung. Erneut wendet sich der ÖGB gegen die Abschaffung der Erwerbsunfähigkeitspension und eine mögliche "Krankensteuer".
Präsentiert wurden im Bundesvorstand auch Zahlen: Die Zahl der Mitglieder ist um ein Prozent auf 1,465.164 gesunken (1998: -1,2 Prozent). Mitgliederzuwächse verzeichneten von den 14 Gewerkschaften lediglich zwei: die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und die Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst.
Malussystem stößt auf Kritik
Die Forderung des ÖGB nach einem stärkeren Malus für Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen kündigen, stößt bei anderen Institutionen auf wenig Gegenliebe. Als "absolut kontraproduktiv" bezeichnet den Vorschlag Günter Stummvoll, Generalsekretär der Wirtschaftskammer. Anreize statt Strafen wäre sein Gegenvorschlag.