Zum Hauptinhalt springen

Proteste gegen Regierung in Paris

Von WZ-Korrespondent Christian Giacomuzzi

Politik

Villepin erstmals massiv unter Druck. | Druckmittel Straße auch in Italien. | Paris. In Frankreich ist für heute, Dienstag, die massivste Protestbewegung gegen die amtierende Rechtsregierung seit der Amtseinsetzung des Premiers Dominique de Villepin (UMP) im vergangenen Juni geplant. Abgesehen von einem Generalstreik, zu dem alle großen Gewerkschaftsverbände aufgerufen haben, ist es der Linksopposition erstmals gelungen, geeint gegen Villepin aufzutreten. In einer gemeinsamen Aussendung unterstützten die Sozialistische Partei, die Kommunisten, die Grünen und die Trotzkisten der Kommunistischen Revolutionären Liga den "nationalen Aktionstag, der durch die wirtschaftsliberale und repressive Offensive der Regierung vollkommen gerechtfertigt wird". Außer mehr Kaufkraft für Lohnempfänger und Pensionisten sowie der Anhebung der sozialen Minima fordern die vier Parteien auch die Einstellung des "Ausverkaufs" von Staatsbetrieben wie etwa dem Energiekonzern Electricite de France oder der Korsikafähren-Gesellschaft SNCM.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Dieser gemeinsame Appell der Linksparteien, an dem sich nur die Radikalsozialisten und die Trotzkisten von "Lutte Ouvriere" nicht beteiligt haben, stellt eine Premiere im Oppositionslager dar, seit sich dieses in Bezug auf die EU-Verfassung gespalten hat. Anlässlich des Verfassungsreferendums vom vergangenen 29. Mai hatte Großteil der Linken für das siegreiche Nein Wahlkampf geführt, während die Radikalsozialisten und ein Teil der Sozialisten für das Ja eintraten.

Sozialkonflikt eskaliert

Angeschürt wurde der Sozialkonflikt in Hinblick auf den Generalstreik durch eine bereits seit zwei Wochen währende heftige Protestbewegung gegen die Privatisierung der SNCM, die zu einer Blockade des Hafens von Marseille, zu Streiks und Protesten auf der Mittelmeerinsel Korsika und sogar zur Entführung des SNCM-Frachters "Pascal Paoli" durch erzürnte Gewerkschafter geführt hatte. Das gekaperte und vor dem korsischen Bastia geankerte Schiff wurde vergangenen Mittwoch von einer Elitetruppe der Gendarmerie unter Anwendung von Kampfhubschraubern zurück erobert, was eine Premiere in einem Sozialkonflikt darstellt. Am Samstag beendeten die Sicherheitskräfte eine Hafenblockade in Ajaccio gewaltsam, während die übrigen Inselhäfen auch am Sonntag blockiert blieben. Am Abend desselben Tages wurde ein 25 Meter langes Boot des französischen Zolls durch eine Rakete zerstört, nachdem bereits am Donnerstagabend in der Nähe der Präfektur von Ajaccio ein Sprengstoffanschlag verübt worden war. In beiden Fällen gab es keine Verletzte.

Beim heutigen Streik wird vor allem die Lahmlegung der öffentlichen Verkehrsvertriebe erwartet. Insgesamt 74 Nahverkehrsvertriebe im ganzen Lande beteiligen sich neben der Bahngesellschaft SNCF und dem Pariser Verkehrsverbund RATP an dem Ausstand. Auch die Fluggesellschaft Air France, die Fluglotsen und die Angestellten der Pariser Flughäfen ADP in Roissy und Orly wollen die Arbeit niederlegen. Der Protest richtet sich nicht zuletzt gegen den jüngst beim US-Computerkonzern Hewlett-Packard angekündigten Sozialplan, der in Frankreich den Abbau von 1240 Posten vorsieht. Landesweit sind laut Angaben der Gewerkschaften etwa 150 Protestkundgebungen geplant. Umfragen zufolge sympathisieren 74 Prozent der Franzosen mit der Sozialbewegung.

Demo in Italien geplant

Sieben Monate vor der geplanten Parlamentswahl heizt sich das politische Klima auch in Italien auf. Die Opposition ruft am kommenden Samstag zu einer groß angelegten Demonstration gegen die Regierung in Rom auf. Die Demonstration richtet sich vor allem gegen das neue Budget, das vergangene Woche verabschiedet wurde. Das Sparpaket mit Maßnahmen im Wert von 20 Mrd. Euro baue den Wohlfahrtstaat in Italien ab, bemängelte Oppositionschef Romano Prodi. Durch das neue Budget soll die Netto-Neuverschuldung um 11,5 Mrd. Euro verringert werden. Das Budgetdefizit wird im kommenden Jahr voraussichtlich auf 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. Es liegt damit aber immer noch über dem Maastricht-Kriterium der EU von maximal 3 Prozent.