In Wien klebten sich Aktivisten an ein Dino-Skelett - und hielten sich an die heimische Tradition des Sowohl-als-auch.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Klebe-Aktionismus von Aktivisten einer besonders aktionistischen Klima-NGO breitet sich wie ein Lauffeuer auch nach Österreich aus. Betroffen sind nicht nur belebte Straßenzüge, sondern nun auch das Naturhistorische Museum in Wien. Bemerkenswert war dabei weniger der Umstand an sich, sondern waren die Details der Ausführung.
Bei der Anklebe-Aktion im KHM wird deutlich, dass selbst die erklärten Warner vor dem nahen Weltuntergang davor zurückschrecken, ihren Überzeugungen mit der nötigen Konsequenz zum Durchbruch zu verhelfen. Statt an die wertvollen Knochen eines Dino-Skeletts klebten sich die beiden Aktivistinnen nur an den Sockel des Ausstellungsobjekts, um das Risiko allfälliger Schäden praktisch auszuschließen.
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet eine Gruppe, die sich "Last Generation" nennt, instinktsicher die ur-österreichische Tradition des Sowohl-als-auch, von Kompromiss und Sozialpartnerschaft im nächsten Jahrhundert der Extreme neu interpretieren will.
Robert Musil, der Autor des viel zitierten, aber nur selten gelesenen "Mann ohne Eigenschaften", hat dieses Erfolgskonzept in Bezug auf seinen Sehnsuchtsstaat Kakanien so formuliert:
"Dort, in Kakanien, gab es auch Tempo, aber nicht zu viel Tempo. (. . .) Natürlich rollten auf (seinen) Straßen auch Automobile; aber nicht zu viele Automobile!"
Glückliches Österreich: In anderen Ländern mögen Museen um die Unversehrtheit ihrer Kunstwerke bangen, hierzulande geben sich auch Aktivisten mit dem robusten Sockel zufrieden.
Das keineswegs wesensfremde Bayern überlegt, gegen die neue Protestmode auf Straßen und in Museen mithilfe des Anti-Terror-Paragrafen im Strafrecht vorzugehen, mit dem Klima-Kleber für zwei Monate in Präventivhaft genommen werden können. Dagegen muss die Reaktion der FPÖ auf die NHM-Aktion als maximal entspannt bezeichnet werden, fordert doch der Kultursprecher der Wiener Freiheitlichen lediglich Taschenkontrollen und Sicherheitsschleusen bei Eingängen für die Besucher. Vielleicht aber auch nur, weil es hier um Kultur geht; bei Straßenblockaden versteht nicht nur die FPÖ gleich weit weniger Spaß.
Verantwortliche Politiker sollten sich trotzdem hüten, auf Aktionismus mit Aktionismus zu antworten. Es sei denn, man will den Protesten noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Gute Argumente für den eigenen Standpunkt sollten ausreichen. Dazu zählt allerdings auch, die Kritik an einer mangelnden Klimapolitik und die Sorgen vor deren Folgen ernstzunehmen.